ANALYSE. Keine Partei hat in diesem Wahljahr so wenig von Zugewinnen wie sie. Ihr bleibt die Oppositionsrolle. Und diese ist auf Dauer ziemlich bedrohlich für sie.
Die Wählerströme in Bezug auf die Neos sind eher atemberaubend: Die Behalte-Rate der Partei ist und bleibt extrem niedrig. Bei der Vorarlberger Landtagswahl ist sie laut SORA nur von jedem zweiten ihrer Wähler des Jahres 2014 wiedergewählt worden. Dass sie nicht verloren, sondern sogar zugelegt hat, hat sie ihrem Talent zu verdanken, immer wieder eine ziemlich neue Wählerschaft zu erobern. Bei der Nationalratswahl 2017 beispielsweise hatte sie 269.000 Wählerinnen und Wähler. 2019 waren ihr jedoch nur 147.000 davon treu geblieben.
Das Problem der Neos: Sie wollen gestalten. Und dafür werden sie wohl auch von sehr vielen Menschen gewählt. Allein: Die Möglichkeit ergibt sich nicht, wenn man von Salzburg absieht, wo es eine schwarz-grün-pinke Koalition auf Landesebene gibt. In Vorarlberg schaut es nun jedenfalls nach Schwarz-Grün aus.
Und auf Bundesebene geht es im Moment auch in diese Richtung. Bleibt den Neos die Oppositionsrolle, in der sie sich zuletzt behaupten konnten, die aber eben keine Regierungsrolle ist. Bitter für sie: ÖVP-Wählern wären sie laut Wahltagsbefragung die liebsten Koalitionspartner.
Doch ließe sich das nicht doch irgendwie bewerkstelligen? Es gibt Vorstellungen, wonach ÖVP-Chef Sebastian Kurz Türkis-Grün-Pink anstreben könnte. Was insbesondere für die Neos aber lebensgefährlich wäre: Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse hätten sie kein Druckmittel, ihren Willen durchzusetzen. Für eine einfache Mehrheit sind sie neben ÖVP und Grünen nicht nötig; und eine Zweidrittelmehrheit geht sich auch mit ihnen nicht aus. Also ist eine solche Konstellation eher nur ein lieber Wunsch.
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Viel interessanter als die Oppositionsrolle wirkt für die Neos auf den ersten Blick eine türkise Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten: Da könnten sie Akzente setzen, wie sie es zuletzt bei der Schuldenbremse auf parlamentarischer Ebene getan haben. Allein: Auch bei einer Minderheitsregierung bleibt das Problem, dass die Neos für Mehrheiten kaum entscheidend sind. Eine einfache Mehrheit schafft Kurz mit Sozialdemokraten, Freiheitlichen und Grünen, nicht aber den Neos. Und für eine Zweidrittelmehrheit benötigt er sie nur, wenn er zusammen mit den Sozialdemokraten etwas durchsetzen möchte. Hat er die Absicht, mit den Freiheitlichen eine Verfassungsänderung vorzunehmen, sind die Neos schon wieder zu klein. Sprich: Es bleibt ihnen de facto nur die Oppositionsrolle und damit wohl auch das Vertrauen auf ihr Talent, bei der nächsten Nationalratswahl wieder eine ziemlich neue Wählerschaft zusammenbringen zu können. Nur: Einfacher wird das auf Dauer nicht.