ANALYSE. Von der freiheitlichen Historikerkommission ist nichts zu erwarten: Die Partei hat bereits erklärt, dass es keinen Antisemitismus gebe. Und auch ihre Regierungspartner können kein Interesse daran haben.
Wozu die FPÖ aufgrund der Verhältnisse, die von den Wiener Neustädter Germanen ihres nö. Ex-Spitzenkandidaten Udo Landbauer bekannt geworden sind, eine Historikerkommission einsetzt, ist fast schon schleierhaft. Generalsekretär Harald Vilimsky hat bereits klargestellt, was Sache sein soll: Landbauer sei „unschuldig Opfer einer medialen Hetze geworden“. Mit den aktuellen Vorwürfen habe er jedenfalls nichts am Hut. Und vor allem: Antisemitismus habe in der Partei „nichts verloren und sei dort auch nicht vorhanden“. Punkt. Also kann eine Historikerkommission wohl auch nichts Verwerfliches liefern. Womit sie nur dann Sinn macht, wenn sie genau das macht: eine Art Weißwaschung. Und wir dann wieder zur Tagespolitik zurückkehren können.
Wie es in Österreich halt so üblich ist. Und ganz besonders auch in diesem Fall, in dem der Außendruck zu bescheidend ist. Die ÖVP und Teile der SPÖ können kein Interesse daran haben, dass zu viel ans Licht kommt; und es kann ihnen daher auch nicht passen, wenn von vornherein zu präzise Fragestellungen definiert werden würden. Sonst müssten sie damit rechnen, dass ihnen der Koalitionspartner abhandenkommt.
„Lebensbund“ wird in diesen Reihen, denen Strache angehört, großgeschrieben; ewige Treue und Verbundenheit also.
Die FPÖ ist unter Vizekanzler Heinz-Christian Strache mehr denn je eine Burschenschafter-Partei. Das kann er, selbst ein Burschenschafter, weniger als jeder andere Parteichef rückgängig machen: „Lebensbund“ wird in diesen Reihen großgeschrieben; ewige Treue und Verbundenheit also. In der Sache sind Strache damit quasi automatisch die Hände gebunden.
Sein Glück bisher war, dass sich die Öffentlichkeit nicht näher mit den Burschenschaften und ihren Mitgliedern auseinandergesetzt hat. Dass die Masse über einen antisemitischen Liedtext überrascht ist. Und dass auch vielen erst jetzt bewusst wird, dass diese Leute überhaupt ein eigentümliches Verhältnis zu Österreich haben: „Du sollst das Blut nicht scheuen fürs deutsche Vaterland“, heißt es bei der Albia Wien. „Das große übergreifende Ziel“ bleibe „stets die Vollendung der Einheit des deutschen Volkes im geistig-kulturellen Sinne“, lässt die „Gothia“ wissen. Der Nachsatz wirkt irgendwie nur beschwichtigend: „Dies schließt ein österreichisches Selbstbewußtsein keineswegs aus.“
Zunächst einmal herrscht ein schlampiger Umgang mit politischer Verantwortung.
Da kommt viel zusammen. Zunächst einmal herrscht ein schlampiger Umgang mit politischer Verantwortung. Das wird schon bei Landbauer deutlich: Es ist etwa ganz und gar nicht klar, dass jemand, der im Vorstand eines Vereines sitzt, automatisch auch Mitverantwortung für alles trägt, was in diesem Verein geschieht. Genau auf diesen Schlendrian setzt Vilimsky, wenn er feststellt, dass Landbauer „mit den aktuellen Vorwürfen jedenfalls nicht das Geringste am Hut“ habe. Motto: „Er selbst hat ja nicht.“
Doch es geht noch weiter: Es ist bezeichnend für die politische Kultur in Österreich, dass ausgerechnet eine Partei, die Zuwanderern gewisse Werte diktieren will, eine tragende Rolle übernehmen konnte, ohne ihr eigenes Verhältnis zu Österreich präzisieren zu müssen. Auch im Handbuch freiheitliche Politik steht jedenfalls ganz im Sinne deutschnationaler Burschenschaften: „Wir bekennen uns zur Republik Österreich. Aufgrund der gemeinsamen Sprache, Religion, Kunst sowie Kultur und der über Jahrtausende gemeinsamen Geschichte sind wir in die deutsche Kulturgemeinschaft eingebunden.“
EU-Gegner bekommen genauso, was sie hören wollen, wie Kurz.
Möglich ist das darum: Die FPÖ lebt davon, dass zurzeit die ÖVP und zumindest der burgenländische Teil der SPÖ rein machttechnisch gesehen angewiesen sind auf sie. Das gibt ihr gewisse Freiheiten. Beispiel: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat ihr zwar ein Bekenntnis zur europäischen Integration abgerungen. In dem weiterhin gültigen Handbruch freiheitlicher Politik steht jedoch nach wie vor, ein EU-Austritt sei für die Partei „kein Tabu, sondern ultima ratio“. Bleibt für alle etwas: EU-Gegner bekommen genauso, was sie hören wollen, wie Kurz. Und aus diesem Widerspruch kann er nur entkommen, indem er betont, dass ohnehin nicht Worte, sondern Taten entscheidend seien. Befriedigend kann das jedoch auch für ihn nicht sein. Aber das ist eine andere Geschichte. Der Punkt ist, dass er sich den Koalitionspartner letztlich nur schönreden und hoffen kann, dass das irgendwie gut geht.
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