ANALYSE. ORF: Doskozil hat Chancen, beim Verfassungsgerichtshof durchzukommen. Bei der Auswahl von Stiftungsratsmitgliedern wird ja nicht einmal ein Anschein gewahrt.
Die Bestellung von Organen des ORF werde von Parteipolitik dominiert, heißt es im Antrag zu einem Gesetzesprüfungsverfahren, das die burgenländische Landesregierung beim Verfassungsgerichtshof angestrengt hat und zu dem nun (für 26. September) eine öffentliche Verhandlung ebendort angesetzt ist. Laut der Regierung von Hans Peter Doskozil wird gegen ein Bundesverfassungsgesetz verstoßen; nämlich gegen das (kurze) aus dem Jahr 1974 „über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks“.
Die Burgenländer haben Chancen, damit durchzukommen. Bei der Bestellung von Stiftungsratsmitgliedern wird ja nicht einmal ein Anschein gewahrt. Auch wenn das (einfache) ORF-Gesetz einen erheblichen Spielraum lässt. Im Wesentlichen gibt es nur zwei Kriterien: Kandidatinnen und Kandidaten dürfen nicht Mitarbeiter:in einer Partei, Mandatar:in oder Teil einer Regierung sein. Abgesehen davon sollten sie über Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen. Großen Test, geschweige ein Hearing dazu gibt es nicht, wie auch im Antrag aus dem Burgenland angemerkt ist. Man könnte auch sagen: Eine Lenkerberechtigung für ein Moped zu bekommen, ist schwieriger; da muss man einen Kompetenznachweis erbringen.
15 der 35 Stiftungsratsmitglieder werden über die Bundesregierung bestellt, neun weitere von den Ländern, de facto also je ein Mitglied von jedem Landeshauptmann, der Landeshauptfrau. Bei den Mitgliedern der Bundesregierung werden wiederum sechs „nach Stärkeverhältnis der Parteien im Nationalrat unter Bedachtnahme auf deren Vorschläge“ ausgewählt und neun quasi allein von der Regierung.
Hier geht es um zwei Qualitäten. Bei den ersten sechs werden Parteien geradezu ermuntert, „eigene“ Leute zu nominieren. Also Leute, bei denen sie davon ausgehen können, dass sie in ihrem Sinne tätig sind. Für die Sozialdemokraten ist so ihr ehemaliger Sprecher Heinz Lederer in den Stiftungsrat gekommen, für die Grünen ihr Ex-Sprecher Lothar Lockl. Einzig bei den Neos scheinen fundierte Medienkenntnisse absoluten Vorrang gehabt zu sein: Für sie sitzt die Medienmanagerin Anita Zielina im Stiftungsrat, die über internationale Erfahrung verfügt (u.a. NZZ). Parteisprecherin war sie nie.
Bei der Bundesregierung dürften parteipolitische Interessen eigentlich gar keine Rolle spielen. Genauer: Wenn sachorientierte Maßstäbe angesetzt werden würden, müsste sie bei der Auswahl „ihrer“ Stiftungsräte darauf achten, dass sie dem ORF-Gesetz- und -Auftrag gerecht werden; dass sie über die Kompetenz verfügen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestmöglich zu sichern; und dass sie – im Sinne der gebotenen Unabhängigkeit – am besten gar nie beruflich im Dunstkreis einer Partei tätig gewesen sind. Was im Übrigen noch immer einen erheblichen Spielraum lassen würde: Auch unter parteipolitisch unabhängigen Wissenschaftler:innen und Medienmanager:innen gibt es solche und solche – linke und rechte, konservative und progressive etc. Aber das ist jetzt eine andere Geschichte. Sie deutet nur an, was gehen würde.
Bei mehreren Stiftungsratsmitgliedern, die die Regierung selbst auswählt, herrscht jedoch ebenfalls eine einschlägige Punzierung vor: Jürgen Beilein war ebenso Sprecher ehemaliger ÖVP-Regierungsmitglieder (z.B. Wilhelm Molterer) wie Gregor Schütze (Maria Fekter). Herwig Hösele war Mitglied des Bundesrates und Mitarbeiter der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic (ÖVP). Sigrid Pilz saß einst für die Grünen im Wiener Gemeinderat.
Natürlich: Es steht nicht im ORF-Gesetz, dass jemand, der einmal im weitesten Sinne für eine Partei oder ein Regierungsmitglied gearbeitet hat, nicht als Stiftungsrat tätig sein darf. Es widerspricht aber dem Geist des Verfassungsgesetzes über die Unabhängigkeit des Rundfunks, das so exzessiv zu betreiben. Anders ausgedrückt: Es sollte die Regel sein, dass zumindest eine herausragende Kompetenz vorliegt, die diesem Geist gerecht wird.
Ob das für ein Höchstgericht reichen könnte, um eine Verfassungswidrigkeit zu orten? Eine verkommende Praxis recht vielleicht noch nicht. Eher tun könnten es fehlende Sicherstellungen der Qualifikation von Stiftungsräten.