Operation „Grundfunk“

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ANALYSE. Öffentlich-rechtliche Medien sind europaweit gefährdet. Die Einschläge kommen näher. In Österreich wird ein 50 Jahre altes Verfassungsgesetz Kickl kaum aufhalten.

Autoritär und populistisch: Das sind zwei Merkmale von Politikern, die öffentlich-rechtlichen Medien europaweit den Kampf angesagt haben. Nicht zufällig zählen sie zu den Freunden Putins. Die meisten sind rechts, einer gilt als Linker – und er hat gerade ernstmachen lassen: Auf Betreiben von Ministerpräsident Robert Fico ist in der Slowakei dieser Tage der dortige ORF abgeschafft worden. An seine Stelle ist ein Staatsfunk getreten.

Medienpolitik nach dem Vorbild des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. FPÖ-Chef Herbert Kickl würde von einem „Grundfunk“ sprechen. Wie den Begriff „Remigration“ teilt er diesen mit seinen Freunden von der rechtsextremen AfD in Deutschland. Deren Vertreter Björn Höcke fordert die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, also von ARD und ZDF. Sie seien zu teuer, hätten zu viele überflüssige Programme und würden im Übrigen Regierungspropaganda betreiben, so Höcke: „Stattdessen soll es einen Grundfunk geben, vielleicht zehn Prozent von dem was wir jetzt haben. Es wird eine Grundversorgung geben, aber keinesfalls mehr einen Zwangsbeitrag. Das wird dann durch Steuern finanziert.“

Es ist als würde Kickl sprechen. Er äußert sich immer wieder ähnlich bis gleich: „Propaganda-Organ der Regierung“, heißt es bei ihm. Oder „Zwangsgebühren“. Stattdessen will er ebenfalls einen „Grundfunk“, der staatlich, also durch Steuergelder, finanziert wird.

Für Deutschland versucht der dortige „Verfassungsblog“ zu beruhigen. Er setzt sich regelmäßig damit auseinander, was passieren könnte, wenn die AfD ans Ruder kommt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei gut abgesichert, schreibt er in diesem Fall. Das könnte man auch für Österreich feststellen: Hier gibt es ein Verfassungsgesetz zur Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks. Es stammt vom 10. Juli 1974, ist also ziemlich genau 50 Jahre alt.

Noch besser: Der Verfassungsgerichtshof schaut sehr genau darauf, dass es beachtet wird. Im vergangenen Oktober hat er festgestellt, dass die Zusammensetzung des ORF-Stiftungsrates zu sehr von der Regierung abhängig sei und dass das dem Verfassungsgesetz widerspreche.

Das ist nicht nichts: Im Unterschied zu Fico könnte Kickl den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht einfach abschaffen. Er könnte ihn auch nicht direkt über den Stiftungsrat oder eine staatliche Finanzierung an die kurze Leine nehmen.

Alles gut? Woher: Angebote wie die ZIB2, Ö1 oder FM4 sind nicht geschützt. Sie entsprechen gewissermaßen nur dem Geist des Verfassungsgesetzes. Vielfalt zum Beispiel würde sich auch ohne die drei vorgeben lassen. Genauso ist es mit Journalismus: Es ist nicht verboten, was Kickl macht. Nämlich, ihn zu diskreditieren, ja einen Teil der Öffentlichkeit gegen ihn aufzuhetzen (zum Beispiel eben dadurch, dass er ihm unterstellt, Propaganda zu betreiben). Es ist nicht verboten, ein Klima zu schaffen, in dem mehr und mehr Menschen zur Überzeugung gelangen, dass der ORF seinem Auftrag nicht gerecht werde.

Das führt zum Kern des Problems: Man muss einen ORF oder auch Zeitungen nicht abschaffen oder verbieten, um sie zu erledigen. Es kann sie sogar „gerne“ weiter geben. Man kann an Inseraten-, Förderungs- und Gebührenschrauben drehen und sie so empfindlich schwächen. Man kann sie verbal niedermachen und sich ihnen gegenüber als Parteichef oder auch als allfälliger Kanzler verweigern, wenn sie missfallen. Man braucht sie schließlich nicht. Vor allem, wenn man daneben über FPÖ TV und andere Kanäle verfügt, die groß genug sind, um wirkungsvoll zu sein.

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