Message Control 2.0

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ANALYSE. Weniger denn je stellt sich Politik unabhängigem Journalismus. Insofern ist die neue „Social-Media-Regelung“ nur logisch.

Der Begriff „Message Control“ sei etwa 2019 im Zusammenhang mit der Kommunikationsstrategie des damaligen österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) aufgetaucht, heißt es auf Wikipedia, wo unter Verweis auf „die Publikation“ dieSubstanz.at erklärt wird, dass er die Steuerung der Botschaft einer Organisation an die Öffentlichkeit bezeichne.

Ursprünglich gemeint war damit eine bestimmte Medienpolitik, zu der auch Inserate gehören; die sich nicht überraschen lassen will, wie zum Beispiel Zeitungen berichten, sondern alles tut, damit sie das schreiben, was sich der Absender erwartet.

Heute, im Sommer 2025, muss man von „Message Control 2.0“ sprechen. Es ist nicht ungewöhnlich geworden, dass Beamte bis hinunter zu den Ländern oder Abgeordnete bis hinein in die Reihen kleinerer Parteien Anfragen über die Pressestelle beantworten lassen. Was seltsam ist: Beamte sind nicht vergleichbar mit Mitarbeitern eines Konzerns. Sie haben nicht einem Minister oder dessen Partei zu dienen, sondern dem Staat. Und bei Abgeordneten sollte die Sache überhaupt klar sein. Stichwort „freies Mandat“. Aber diesbezüglich wird zunehmend auch in Parteien, die grundsätzlich weniger sektenmäßig unterwegs sind, nicht einmal mehr ein Anschein gewahrt.

„Message Control 1.0“ ist, wenn die schwarz-rot-pinke Regierung Christian Stocker, Andreas Babler und Beate Meinl-Reisinger ihre erste Arbeitsbilanz bei einem geschlossenen Hintergrundgespräch, also vor geladenen Journalistinnen und Journalisten, zieht, wie sie es diese Woche getan hat. Damit sorgte sie für einen – aus ihrer Sicht – kontrollierten Rahmen. Doch derlei ist längst normal.

„Message Control 2.0“ ist, wenn sich Politikerinnen und Politiker eher nur ausgewählten Medien stellen und namhaften schier gar nicht mehr. Wenn im Unterschied zu Stocker, Babler und Meinl-Reisinger von FPÖ-Obmann Herbert Kickl abwärts zum Beispiel nicht einmal mehr Einladungen ins ZIB2-Studio angenommen werden. Zum x-ten Mal hätten sie dieser Tage ablehnt, berichtet Armin Wolf auf Bluesky, um festzustellen: „Weder der Parteichef noch einer der Generalsekretäre möchten sich von uns befragen lassen.“

Lieber sind Kickl und Co. mit „Auf1“ zusammen. Oder mit der Gratiszeitung „Heute“: Dort hat Udo Landbauer gerade sagen dürfen, was er sagen wollte; und zwar ohne dass ihm bei einer Feststellung wie jener widersprochen wurde, dass Asyl kein Menschenrecht sei in Österreich. Also ohne ansatzweise journalistisch herausgefordert zu werden.

„Message Control 2.0“ ist, wenn parteipolitische Kommunikation von Regierungsmitgliedern auf Bundesebene und in den Ländern vor einer massiven Ausweitung steht. ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne sorgen dafür, dass Accounts von Kanzler, Ministern und Landeshauptleuten künftig unter Zuhilfenahme öffentlicher Ressourcen betrieben werden dürfen; dass das nicht mehr verboten ist, weil es sich um Parteienfinanzierung handelt.

Man muss nicht auf Facebook sein, um das Problem zu erkennen: Hier geht es um kontrolliere Öffentlichkeitsarbeit, die vollkommen ungestört von lästigen Journalisten ist; gesteuerte Selbstdarstellung gegenüber genau den Teilen der Wählerschaft, die erreicht werden sollen. Es in dieser Form auszuweiten, ist daher nicht nur medienfeindlich, sondern auch eine Absage an eine offene Auseinandersetzung, wie sie für eine Demokratie wichtig ist – dafür müssten sich gerade Regierungsmitglieder mit dem konfrontieren lassen, was ist, dürften nicht einfach nur verstärkt das präsentieren können, was ihnen gefällt.

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