Medienpolitik: Ist da jemand?

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ANALYSE. Vor allem auf die Zeitungsbranche verschärft sich der Druck. Es geht um zu viel, als dass Karl Nehammer das weiter Susanne Raab überlassen und sich selbst vor Grundsätzlichem drücken könnte.

Bei der Mediengruppe Österreich/oe24 gibt es einen neuen Geschäftsführer, wie „Der Standard“ berichtet: Andreas Pres. Seines Zeichens Sanierungsberater. Medienexperte Stefan Lassnig ist überzeugt, dass ein solcher bald auch in anderen Häusern notwendig wird.

Tatsächlich ist der Druck auf die Branche enorm: Die wirtschaftliche Lage mag sich zuletzt entspannt haben, die Aussichten haben sich aber schon wieder eingetrübt; das wirkt sich auf die Werbeerlöse aus. Wie überall werden aufgrund der starken Inflation auch hier entsprechende Lohnabschlüsse erforderlich; das erhöht die Personalkosten zusätzlich. Und dann wird auch noch das gedruckte Wort extrateurer: Druckereien sind eher energieintensiv, und wie sich die Stromrechnungen entwickeln, weiß jeder Privathaushalt. Vor allem aber gibt es eine regelrechte Papierpreisexplosion: Eine Tonne kostete laut „Zeit“ im letzten Quartal des vergangenen Jahres im Mittel 510 Euro und im ersten Quartal 2022 um mehr als die Hälfte mehr; 820 Euro nämlich. Wobei es sowohl ein Davor als auch ein Danach gibt – das ebenfalls im Zeichen dieser Entwicklung steht.

Hier rächt sich sehr vieles. Lassnig warnt, dass die meisten Medienhäuser dem digitalen Wandel zu wenig Rechnung getragen haben. Politik hat das gefördert: 225 Millionen Euro an öffentlichen Inseraten wurden im vergangenen Jahr in der gesetzlichen Transparenzdatenbank offengelegt; weil es eine Bagatellgrenze gibt, waren es in Wirklichkeit noch mehr. Problem: „Gefördert“ wurde Druckauflage, also bloße Masse, die sehr herkömmlich produziert wird. Und damit nicht so sehr Journalismus und schon gar nicht Innovation.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist im Dezember angetreten, das zu ändern. Längst ist die Sache an „seine“ Ministerin Susanne Raab (ÖVP) delegiert, und sie ist gerade dabei, das Rad namens Medienförderung neu zu erfinden. Bis Jahresende möchte sie etwas vorlegen.

Das ist für sich genommen schon verdächtig: Es bringt zum Ausdruck, dass weder der Ernst der Lage noch die Dringlichkeit einer Lösung erkannt wird. Schlimmer: Von Nehammer ist nach einem halben Jahr Kanzlerschaft keine grundsätzliche Rede zum Wert demokratischer Verhältnisse und dem überliefert, was dazu nötig ist.

Nötig sind jedenfalls informierte Bürgerinnen und Bürger. Sie würden nicht nur Informationsfreiheit (Abschaffung Amtsgeheimnis) und Transparenz (z.B. bei der Parteienfinanzierung) brauchen, sondern auch unabhängigen, kritischen Journalismus. Ein solcher setzt wiederum gesicherte Existenzen voraus. Und ehe dazu nach dem Staat gerufen wird, sollte man davon ausgehen, wie sich Medienhäuser selbst finanzieren könn(t)en. Digitalisierungsstrategien sind diesbezüglich ein wichtiges Stichwort; sie beinhalten auch Bezahlsysteme, die oft erst langwierig erprobt werden müssen.

Hier kann der Staat einspringen und die hunderten Millionen Euro, die er für Inserate aufwendet, in eine Förderung dessen umwandeln, was sich bemüht, bezahlten Qualitätsjournalismus zu liefern und in der technologischen Umsetzung innovativ zu sein. Vorbilder dazu gibt es. Auch wenn sie zum Teil nicht realisiert werden konnten. In der Schweiz hat die Regierung – wie hier berichtet – Vorschläge dazu vorgelegt, wie umgerechnet rund 280 Millionen Euro pro Jahr sinnvoll an Medien ausgeschüttet werden könnten. Allein: Bei einer Volksabstimmung ist das nicht durchgegangen.

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