Medienpolitik: Immerhin absehbar

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ANALYSE. Es scheint klar, was Kickl will. Für bedrohte Verlage könnte das eine Chance ergeben: ein Volksbegehren dagegen. Ein, zwei Millionen Unterstützungserklärungen wären möglich.

Österreichische Medienpolitik ist schon bisher ein Trauerspiel gewesen, jetzt jedoch droht Verheerendes. Bisher bestand sie aus weitgehend willkürlich vergebenen Inseraten, mangelnder Bereitschaft, qualitative Vielfalt in ausreichendem Maße zu fördern und beim ORF allerhand Einflussmöglichkeiten über den Stiftungsrat und damit unter anderem auch auf den Generaldirektor zu nützen.

Sollte nun die FPÖ von Herbert Kickl ans Ruder kommen, ist mit ungleich Schlimmerem zu rechnen. Sein Mann im Stiftungsrat, Peter Westenthaler, hat bereits wissen lassen, was das Ziel sei: „Den ORF innerhalb der nächsten sechs Monate an Haupt und Gliedern zu erneuern.“ Aussagen von Kickl und Co. sowie Ankündigungen in ihrem Wahlprogramm zufolge bedeutet dies eine Abschaffung der Haushaltsabgabe („Zwangsabgabe“) und die Einführung einer direkten Finanzierung aus dem Budget. Nicht nur, dass der öffentlich-rechtliche Sender dann wohl deutlich weniger bekommen würde, er wäre auch vom Wohlwollen der Regierung abhängig. Ein solches ist nicht vorhanden bei den Blauen. Sie orten „Gesinnungsjournalismus“.

Boulevardzeitungen, die den ORF schon bisher gerne als „Staatsfunk“ abtun, als würde er direkt von ÖVP und Grünen betrieben werden, und die im Übrigen ebenfalls gegen die Haushaltsabgabe sind, mag das freuen. Ob mit Kickl Besseres kommt für sie, ist jedoch fraglich. Erstens: Der Gesamtförderkuchen wird kaum vergrößert. Im Gegenteil. Außerdem sollen auch „Alternativmedien“ zum Zug kommen.

Sie werden laut FPÖ-Wahlprogramm „als rechtsextrem oder Verschwörungstheoretiker diffamiert und von Fördergeldern abgeschnitten“. Gemeint sind Organe wie „AUF 1“, die transportieren, was Kickl will und was ihm und seinesgleichen gefällt.

Zweitens: Ausdrücklich „betragsmäßig begrenzen“ will die FPÖ Regierungsinserate. Das verheißt nichts Gutes für „Krone“, „Österreich“ und „Heute“, für die diese zum Teil existenziell wichtig sind und ohnehin schon in einem viel geringeren Ausmaß fließen als unter Sebastian Kurz (ÖVP) im Jahr 2018. Siehe Grafik.

Es verhießt daneben aber auch nichts Gutes für andere Verlage. Vergleicht man die Verteilung von Regierungsinseraten unter Kurz 2018 mit denen unter Karl Nehammer 2023, fällt eine deutliche Verschiebung auf, die insbesondere dem Umstand geschuldet ist, dass an die Stelle blauer grüne Ministerien getreten sind, die eher im Qualitätssegment werben.

Genauer: Für „Krone“, „Österreich“ und „Heute“ (jeweils gruppiert, also inklusive Online-Medien etwa) hat sich das Volumen halbiert, für den „Standard“ ist es hingegen auf niedrigerem Niveau gestiegen und für den Styria-Verlag mit „Presse“ und „Kleiner Zeitung“ sowie die Wimmer-Gruppe (Oberösterreichische Nachrichten) in geringerem Maß gesunken.

Wenn Freiheitliche nun als durchsetzen, dass in Summe noch weniger geworben wird und dann auch noch neu oder verstärkt in sogenannten Alternativmedien, dann haben alle Medien ein Problem, zumal ihnen Wirtschaftskrise sowie Google und Co. ohnehin schon gewaltig zusetzen.

Unterm Strich müssten Bürgerinnen und Bürger damit rechnen, den ORF nicht mehr wiederzuerkennen und befürchten, dass ihre bevorzugte Zeitung verschwindet, weil sie aus finanziellen Gründen nicht mehr weitergeführt werden kann.

Das ist absehbar. Und bei einer Entwicklung, die absehbar ist, gibt es immerhin den Vorteil, dass man noch reagieren kann. Im vorliegenden Fall könnten Verlage zum Beispiel auf die Idee kommen, im Wissen, dass letztlich alle verlieren werden, ein Volksbegehren zu initiieren.

These: Wenn Kickl eine Regierung zusammenbringt und durchsetzt, was er sich vorgenommen hat, kann ein Medienvolksbegehren zu ein, zwei Millionen Unterstützungserklärungen kommen. Zum Vergleich: Allein SPÖ, Neos und Grüne hatten am 29. September knapp zwei Millionen Wähler. Es würde sich um nichts anderes als ein Demokratie-Verteidigungsbegehren gegen einen handeln, der einer Mehrheit zumindest Sorgen bereitet und der dabei ist, diese zu bestätigen; bzw. ein Begehren für etwas, was einer noch größeren Mehrheit wichtig ist: Journalismus, der aufzeigt, was ist. Es wäre ein starkes Signal an einen selbsternannten Volkskanzler, der so gerne von direkter Demokratie redet.

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