ANALYSE. Der Wiener Bürgermeister verwechselt Werbeschaltungen mit Medienförderung und setzt damit unabhängigem Journalismus zu.
Die Antwort des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig (SPÖ) auf die Krise der Medien ist, an die Bundesregierung zu appellieren, verstärkt in heimischen Medien anstatt zugunsten von „Online-Giganten“ zu werben: „Unsere Medien brauchen uns jetzt“, sagt er. Das lässt tief blicken. Nicht so sehr, weil die von ihm geführte Stadt Wien laut „KommAustria“-Datenbank seit dem Jahr 2020 auf Google, Facebook, Instagram und Youtube immerhin 970.000 Euro liegen lassen hat, sondern weil der Mann nach wie vor der Überzeugung ist, dass Werbeschaltungen eine Form von Medienförderung darstellen.
Kritik des Rechnungshofes an diesem Zugang hat er also nicht einmal ignoriert. Dieser hatte sich in einem Bericht, der im Jänner veröffentlicht worden ist, gewundert, für was die Stadt so wirbt. Es geht dabei weniger um notwendige Bürgerinformation, sondern schlicht um Imagepflege. Beziehungsweise darum, irgendwelche Kampagnen durchzuführen. Dem Steuergeld, das an Medien geht, halt ein Mascherl zu geben. Für 2,35 Millionen Euro in einem einzigen Jahr zum Beispiel jenes mit dem Betreff „Informationen über Freizeitmöglichkeiten“.
Vor allem aber sah sich der Rechnungshof gezwungen, Ludwig und Co. dies mitzuteilen: „Medienkampagnen und -schaltungen dürfen keine Instrumente der Medienfinanzierung oder Politikwerbung sein.“ Zur Medienförderung gebe es die Presseförderung, die vor allem eine qualitative und auf journalistischer Sorgfalt beruhende Berichterstattung in den Mittelpunkt zu stellen habe.
Medienförderung durch Werbung ist in Wien verhängnisvoll tief verwurzelt. Zu den Erfindern kann der damalige Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SPÖ) in den 2000er Jahren gezählt werden. Er hat das Ganze dann als Kanzler auf die Bundesebene getragen, wo es unter Sebastian Kurz (ÖVP) schließlich exzessiver weiterbetrieben wurde.
Die Bundespolitik hat mittlerweile Schluss gemacht damit und Medienminister Andreas Babler (SPÖ) hat Ludwig auch schon wissen lassen, dass er nicht die Absicht hat, zu alten Praktiken, die für Willkür und Machmissbrauch stehen, zurückzukehren. Für Ludwig ist’s jedoch Normalität.
Im vergangenen November hat er sich bei den Koalitionsverhandlungen über Forderungen der Neos empört, Inseratenausgaben zu kürzen. Er gab sich besorgt um den Medienstandort Wien. Antwort der Neos: Sie wollten „keine Medienförderungen kürzen, ganz im Gegenteil“ – sie wollten „Inseratenkorruption“ bekämpfen.
127,2 Millionen Euro hat die Stadt Wien von Anfang 2020 bis Mitte 2025 laut „KommAustria“-Datenbank für Werbung ausgegeben. Fast die Hälfte davon (59,5 Millionen) ging an nur sechs Verlagsgruppen. Allen voran AHV mit der Gratiszeitung Heute und dem Onlineportal heute.at. An sie allein flossen 14,9 Millionen Euro und damit sogar mehr als an die Krone-Gruppe (13,1 Millionen).
Michael Ludwig trägt damit Mitverantwortung für Probleme des unabhängigen Journalismus. Unabhängiger Journalismus ist einer, der sich nicht ausschließlich auf Werbeeinnahmen im Allgemeinen und Inserate von öffentlichen Stellen im Besonderen verlässt; der sich also in die Hände jener begibt, denen er kritisch gegenüberstehen sollte; er setzt stattdessen auch auf Zahlungen von Rezipientinnen und Rezipienten.
Der Zugang zu unabhängigen und qualitätsgeprüften Informationen sei wichtiger denn je, sagt Ludwig. Die gezielte Förderung von Gratiszeitungen ist jedoch kein Beitrag dazu, wie sich aus einer Feststellung in der Studie „Scheinbar Transparent II“ ableiten lässt. Im Gegenteil, sie höhle „das Modell der Konzentration auf Vertriebserlöse aus, das bereits antizipiert, dass Inseratenerlöse immer stärker online zu internationalen Plattformen abfließen“.
