ANALYSE. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat mit dem „Wasserschaden“ untertrieben. Politik und Medien bedürfen einer größeren Sanierung.
Rainer Nowak, Geschäftsführer und Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“, hat seine Funktionen ruhend gestellt, Matthias Schrom ist als Chefredakteur von „ORF 2“ beurlaubt: Diverse Chat-Affären setzen nicht nur der Politik im engeren Sinne zu, haben etwa schon vor einem Jahr zum Rücktritt von Sebastian Kurz geführt, sie erschüttern zunehmend auch die vierte Gewalt, also Medien.
Es ist ein Treppenwitz: Politik ist in den gegangenen Jahren mehr und mehr dazu übergegangen, bloße Medienarbeit zu machen. Stichwort „Message Control“. Medien wurden eingespannt, nicht alle haben sich dem widersetzt. Heute ist das Vertrauen beider so schwer beschädigt, dass es untertrieben ist, von einem „Wasserschaden“ zu sprechen, wie es Bundespräsident Alexander Van der Bellen unlängst getan hat: Wenn Medien genauso misstraut wird wie Politik, dann ist Demokratie kaum möglich. Dann bestehen bei den einen zu große Zweifel, dass sie sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und bei den anderen, dass sie mit der nötigen Unbefangenheit und Distanz kontrollierend tätig sind und im Sinne informierter BürgerInnen berichten, was ist.
Die eingangs erwähnten Konsequenzen sind wichtig. „Presse“-Chef Nowak hat dem damaligen Generalsekretär des Finanzministeriums, Thomas Schmid, beispielsweise vorgeschlagen, was er in einer Geschichte, die diesem lästig war, einer „Presse“-Redakteurin antworten soll. Er hat die Gegenseite also gegen die eigene beraten. Das ist nicht strafbar, aber unvereinbar. Schrom hat in einem Chat mit dem seinerzeitigen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) diesem gegenüber unter anderem eigene Kolleginnen und Kollegen politisch diskreditiert und ihm geraten, sich über den Stiftungsrat wegen einer Sendung zu beschweren. Auch er hat sich für die Gegenseite gegen die eigene engagiert.
Natürlich sind nicht alle Medien, Chefredakteure und Journalisten so. Aber alle stehen ebenso wie Parteien und Politiker unter Generalverdacht und wären damit wie diese gezwungen, radikale Schritte zu setzen, um zu retten, was zu retten ist.
Erstens: Die Pläne für Medienförderung und Inseratentransparenz, die Kanzleramtsministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne) im Oktober präsentiert haben, gehören zurückgenommen.
Zweitens: Selbiges sollte mit dem Begutachtungsentwurf zur „Wiener Zeitung“ geschehen.
Bei der „Wiener Zeitung“ geht es etwa um Aus- und Weiterbildung für Journalistinnen und Journalisten unter der politischen Verantwortung des Bundeskanzlers bzw. vielleicht einmal einer Bundeskanzlerin. Zuspitzt formuliert soll sich hier eine Staatsgewalt um den Nachwuchs einer Gegengewalt kümmern. Und das auch noch in der Form, dass im Rahmen der Ausbildung PR-Texte für die Regierung erstellt werden. Der Presseclub „Concordia“ schreibt, was das ist: Mit Medienfreiheit und Demokratie „völlig unvereinbar“.
Wenn hier schon derzeit Regierende kein Problembewusstsein zeigen, dann liegt es an den Medien, das zu tun, und niemanden in diese Kanzlerschule der Hofberichterstattung zu schicken. Genauso, wie sie sich gegen Inseratenkorruption zur Wehr setzen sollten: In einem Land, in dem der Nationalratspräsident (Wolfgang Sobotka) ganz selbstverständlich meint, dass es für ein Inserat „natürlich“ ein Gegengeschäft, gibt, steht jedes Inserat im Geruch, mit einer Gefälligkeit verbunden zu sein; steht der, der ein öffentliches Inserat annimmt, unter Verdacht, käuflich zu sein. Das muss zurückgewiesen werden.
Vorgesehene, zahnlose Kontrolle kann daran ebenso wenig ändern wie eine Ausweitung der Transparenz: Schon heute weiß man zum Beispiel, dass das Innenministerium de facto ausschließlich in Boulevardzeitungen wirbt. Das wird seit Jahren ausgewiesen. Geändert hat sich dadurch jedoch nichts.
Eine Obergrenze für Regierungsinserate ist nicht vorgesehen, hier soll also weiterhin eine Kultur gepflegt werden, die grundsätzlich demokratisch fragwürdig ist: Politik bemüht sich durch üppige Inserate selbst um Information. Zumindest im deutschsprachigen Raum gibt es das so nur in Österreich, wird das in Deutschland und in der Schweiz schlicht Medien überlassen.
Medienförderung bleibt hierzulande weiterhin eher Inseratenpolitik. Daran ändert auch die vorgesehene Ausweitung der klassischen Förderung nichts. Bei ihr kommt noch etwas dazu: Sie konzentriert sich darauf, vorhandene Medien zu halten. Vorhandene Medien sind aber nicht nur nicht unbedingt die, die sich durch Qualitätsjournalismus hervortun, sondern können auch welche sein, die im Zeitalter der Digitalisierung unter reinen Marktbedingungen vielleicht schon verschwunden wären.
Hier werden also Medien von staatlicher und damit verhängnsivollerweise halt immer auch politischer Unterstützung existenziell abgängig gemacht. Das wiegt umso schwerer, also Innovation zum Teil gar nicht gefördert wird, wie das Ö1-Medienmagazin „Doublechek“ hier berichtete. Und zwar anhand eines Projekts, bei dem es darum geht, journalistische Inhalte so für soziale Medien aufzubereiten und zu verbreiten, dass sie auch wahrgenommen werden. Derlei könnte etwas zu wirtschaftlich starken, unabhängigen Medien beitragen – das ist offenbar aber nicht erwünscht.
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