ANALYSE. Was die Einstellung der Wiener Zeitung, unverschämt hohe Werbeausgaben der Regierung und eine „Content Agentur“, die dem Kanzleramt zugeordnet ist, miteinander zu tun haben.
Es kann nicht sein, dass man für ein Weltkulturerbe wie die Wiener Zeitung demonstrieren gehen muss. (…) Die Demokratie ist nicht mehr so gesichert, wie sie es einmal war.
– Franz Fischler am 25. April 2023 auf einer Kundgebung zum Erhalt der Wiener Zeitung vor dem Bundeskanzleramt (Quelle).
Natürlich, freien Journalismus gibt es nach wie vor. Zum Beispiel im ORF: Im Ö1-Morgenjournal vom 25. April wurde berichtet, dass man sich durch eine Datenbank auf einer Plattform der EU wühlen müsse, um einen Bericht des österreichischen Umweltbundesamtes zu finden; dem wiederum zu entnehmen ist, dass mit den Maßnahmen, die die Regierung auf den Weg gebracht habe, die Klimaschutzziele verfehlt werden.
Hätte man es ohne diesen Bericht und ohne EU erfahren? Es ist jedenfalls den beiden zu verdanken, dass es jetzt dazu gekommen ist. Selbstverständlich ist es nicht. Abgesehen davon, dass Journalismus in Nöten ist und ÖVP und Grüne gerade dabei sind, die Wiener Zeitung, zu der diese Meldung genauso gut gepasst hätte, einzustellen, ist es jedenfalls nicht Teil der millionenschweren Informationskampagnen des Klimaschutzministeriums oder eines anderen Ressorts. Dort wird nur transportiert, was (politisch) gefällt. Der Hinweis, dass der Klimaschutz unzureichend ist, gehört unter Garantie nicht dazu.
Die Wiener Zeitung wird nun also eingestellt. Und auch wenn sie in staatlichem Eigentum steht, trägt das nicht zu mehr freiem Journalismus bei. Private Zeitungen gewinnen deswegen ja nichts. Sie befinden sich vielmehr weiter in immer größer werdenden Nöten, weil Papierpreise und Personalkosten steigen, Abo- und Werbeerlöse zurückgehen und die Monetarisierung im Digitalbereich zu oft zu wünschen übrig lässt. Also wird Personal abgebaut.
Das macht die millionenschweren Inseratenkampagnen der Bundesregierung, aber auch der Stadt Wien, nur noch problematischer: Wirtschaftlich wie journalistisch geschwächte Medien werden abhängiger davon. Es wird tendenziell immer einfacher für eine Führung, gewünschte Botschaften über die Rampe zu bringen.
Außerdem: Im Rahmen der Neuorganisation der Wiener Zeitung-Gesellschaft, die dem Bundeskanzler zugeordnet bleibt, künftig aber keine Zeitung mehr herausgaben wird, soll eine bestehende „Content Agentur Austria“ ausgebaut werden. Das ist quasi eine „Inhouse-Agentur“ des Bundes, die für Ministerien und öffentliche Unternehmen alles checkt, von der Verpackung bis zum Vertrieb über unterschiedliche Kommunikationskanäle.
Private Branchenverbände, die in diesen Bereich tätigt sind, entdecken erst jetzt, dass das auch eine Kampfansage an sie ist: Vieles wird der Staat künftig selber machen. In einem Land, in dem der Staat so breit aufgestellt ist wie in Österreich, heißt das etwas. Sie fürchten um Aufträge und protestieren daher. Der Presseclub Concordia kritisiert, dass in der Agentur auch die ebenfalls geplante, verstaatliche Journalismus-Ausbildung stattfinden soll: „Daraus entsteht eine mit professionellem Journalismus unvereinbare Vermischung journalistischer Aufgaben mit Kommunikationsarbeit im Interesse des Staates.“
Das widerspricht von A bis Z Verhältnissen, wie sie nicht nur einer Marktwirtschaft, sondern auch einer Demokratie entsprechen würden. Zumal zu viel möglich wird. Zur Erinnerung: Karl Nehammer lässt sich von einem Mann beraten (Gerald Fleischmann), der für „Message Control“ und der Verbreitung von „Strategisch notwendigem Unsinn“ (SNU) steht.
Jetzt werden die strukturellen Voraussetzungen für gesteuerte Information optimiert. Man kann nur hoffen, dass ein zukünftiger Regierungschef nicht auf die Idee kommen wird, sie zu betreiben. Das ist jedoch naiv – und zeigt, was es geschlagen hat: Zwölf.
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