Was alarmierend ist

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ZU DEN ZAHLEN ZUM TAG. Wenn man allein die Zahl bestätigter Neuinfektionen verfolgt, muss man verrückt werden. Andererseits: Bei dem, was zum Teil noch immer an Datenmüll vorliegt, ist ein Umdenken schwierig.

Die Entwicklungen seien alarmierend. Sagt der Bundeskanzler, sagt der Gesundheitsminister, denkt man sich selbst: Vor wenigen Wochen gab es erstmals wieder mehr als 100 bestätigte Neuinfektionen, wenig später mehr als 200. Und von gestern auf heute waren es mit 358 so viele, wie Ende April – aber auch Mitte März nach Ausrufung des Lockdowns.

Damals war noch ein Rest von einem neuseeländischen Zugang vorhanden. Demnach muss unter allen Umständen und um jeden Preis verhindert werden, dass es zu einer Infektion kommt. Schlimm ist, dass dieser Zugang noch immer nicht ganz verschwunden ist. Siehe diese Fixiertheit auf die Entwicklung dieses Indikators.

Sehr wahrscheinlich zeugt das von einer Art Unbeholfenheit: Bei der Regierung muss man bezweifeln, dass sie eine Strategie für Herbst und Winter hat. Was ist das Ziel? Die Antwort ist offen. Kann man so jedoch das Unausweichliche tun, nämlich mit dem Virus leben lernen? Nein.

Wie absurd das alleinige (!) Zählen der bestätigten (!) Neuinfektionen ist, hat AGES-Experte Franz Allerberger in der ZIB2 gerade deutlich gemacht: Seines Erachtens könnten bereits 300.000 Menschen in Österreich infiziert gewesen sein. Das würde bedeuten, dass 92 Prozent unentdeckt geblieben sind.

Bestätigte Neuinfektionen von heute unterscheiden sich im Übrigen ganz massiv von denen im März und im April: In Wien sind sehr viele positiv Getestete symptomfrei. Vor wenigen Monaten wären sie kaum getestet worden.

Und überhaupt: Es könnte gelingen, Risikopersonen besser zu schützen. Das ist hier bewusst vorsichtig formuliert. Auffallend ist jedenfalls, dass es nach wie vor relativ wenige Spitals- und darunter auch Intensivpatienten gibt. Und dass das Durchschnittsalter der positiv Getesteten sinkt. Das hat wohl nicht nur damit zu tun, dass die Jungen vielleicht mehr „Party machen“, sondern (unter anderem) auch damit, dass besonders in Pflegeheimen Schutzkonzepte entwickelt worden sind.

Andererseits: Sehr Vieles ist hier einfacher geschrieben als getan. In Österreich kann das Gesundheitsministerium mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Pandemie zum Beispiel noch immer nicht täglich bekanntgeben, wie viele Coronapatienten ins Spital eingeliefert werden; von den Ländern bekommt es offenbar keine Angaben dazu. Es kann nur die Zahl der Hospitalisierten mitteilen. Wenn sie gestern und heute 100 beträgt, kann das aber alles und nichts bedeuten: Es können 100, aber auch „0“ entlassen und neu aufgenommen worden sein. Im Klartext: Das ist Datenmüll.

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