Schweden muss scheitern

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ANALYSE. Österreichisches Krisenmanagement ist eine verhängnisvolle Mischung aus Selbstgefälligkeit, Missgunst und Parteipolitik.

Mittlerweile genügt es ja, einfach nur „Schweden“ zu twittern, um wilde Diskussionen zu provozieren. Ja, provozieren: Die einen sehen „Schweden“ als Bestätigung für den österreichischen Lockdown bzw. all die Beschränkungen, die es zur COVID-19-Bekämpfung schon gegeben hat. Für die anderen ist es genau das Gegenteil davon; das Land im hohen Norden zeigt demnach, dass man auf Dauer ohne Verbote bzw. mit Aufklärung und Eigenverantwortung, die durch Aufklärung erst möglich wird, besser über die Runden kommt.

Für die erste Gruppe muss Schweden scheitern. Das ist nachvollziehbar: Alles andere würde bedeuten, dass man sich im Frühjahr vielleicht zu viel gefürchtet hat; dass es möglicherweise gar nicht nötig gewesen wäre, wirklich nur aus ganz wichtigen Gründen aus dem Haus zu gehen und persönlichen Kontakt zu älteren Angehörigen überhaupt abzubrechen.

Im Übrigen gibt es auch eine Zahl, die für das Scheitern Schwedens stehen soll: Aktuell beträgt sie 5865 und steht für die Todesfälle, die das Land bisher zu verzeichnen hatte. Im Vergleich zu Österreich (771) sind das wirklich sehr viele. Andererseits aber muss man schon auch darauf hinweisen, welcher Aufwand dafür betrieben worden ist, diese Zahl hierzulande so niedrig zu halten („Lockdown“), wie viele „Kollateralschäden“ (Todesfälle durch die Nicht-Behandlung von Nicht-COVID-19-Patienten, Pleiten, Arbeitslosigkeit, Armut, Bildungsschere, Verzweiflung) daneben entstanden sein könnten – und dass noch offen ist, wie lange man noch – ohne Impfung – mit dem Virus leben muss.

Österreich vs. Schweden ist kein Ländermatch. Es wird aber als solches wahrgenommen und in diesem Sinne gibt es gerade einen weiteren Emotionslaisierungsschub, weil dieses Schweden seit mehr als einem Monat durchgehend weniger Neuinfektionen verzeichnet als Österreich, für das es gerade eine Reisewarnung nach der anderen setzt.

Da tut der Vergleich mit den Schweden zusätzlich weh. Dabei könnte, ja müsste man ganz nüchtern darauf hinweisen, dass es erst in einigen Jahren möglich ist, zu sagen, wer wie gut durch die Krise gekommen ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das absurd.

Bei der Missgunst für Schweden schwingt eine verhängnisvolle Selbstbezogenheit bzw. -gefälligkeit mit. Motto: Wir sind uns selbst nicht nur am nächsten, sondern auch genug. Man muss sich immer wieder wundern, dass es keinen institutionalisierten Austausch über Österreich hinaus gibt. Lieber tut man so, als wüsste man am besten, wie man mit einem Virus umgeht, von dem man (gefühlt) alleine betroffen ist.

Dabei wäre eine rot-weiß-rote Fact-Finding-Mission in Schweden in jedem Fall bereichernd. Im „schlimmsten“ würde man nur Fehler entdecken und lernen, sie zu vermeiden. Oder: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass man von einer Studienreise nach Italien eine Menge mitnehmen könnte. Immerhin hat das Land viel durchgemacht und schafft es doch schon seit zwei, drei Monaten, die Infektionszahlen relativ klein zu halten.

Bei der Selbstbeschränktheit läuft Österreich Gefahr, am Ende auch noch hinter die USA von Donald Trump zu fallen: Die Amerikaner haben lange geschlafen und dafür einen unendlich hohen Preis bezahlt. Letztlich scheinen sie da und dort aber auch konsequenter zu reagieren. Gerade kam die Meldung, dass sie an einem Tag erstmals mehr als eine Million Tests durchgeführt hätten. Wie viel das ist, erkennt man daran, dass Österreich in Relation zur Bevölkerung (!) nur an stärkeren Tagen gerade einmal halb so viele zusammenbringt.

Als wäre das nicht genug, kommt beim österreichischen Krisenmanagement noch eine weitere Dimension dazu, die verhängnisvoll ist: Parteipolitik. Der türkise Bundeskanzler „muss“ die Themenhoheit halten und daher eine „zweite Welle“ ausrufen (auch wenn er zuvor gerade erst Licht am Ende des Tunnels gesehen hat); woraufhin der grüne Gesundheitsminister nicht anders kann, als zu widersprechen, dass eine solche Welle noch vermeidbar wäre.

Und zu allem Überdruss ist da noch der Wien-Wahlkampf, bei dem die Türkisen im Werben um blaue Wähler die SPÖ-geführte Stadtregierung in ein katastrophales Licht rücken „müssen“ und das rote Wien das natürlich nicht nur nicht auf sich sitzen lassen will, sondern beweisen möchte, dass es in Wirklichkeit vernünftig agieren würde, immer wieder aber durch Unzulänglichkeiten der Bundesebene daran gehindert werde.

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