Nichts ist alternativlos

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ANALYSE. In der Coronakrise darf es kein simples Regierungsdiktat geben, das bis hin zu einer Art Planwirtschaft reicht. Zu kompliziert sind die Fragestellungen, zu weitreichend sind die Antworten darauf.

Ist es wirklich alternativlos, beim Coronavirus nur Verdachtsfälle zu testen? Nein, natürlich nicht. Oder: Müssen die Ausgangsbeschränkungen für fast alle Österreicher so weit gehen, dass die Wirtschaft zum Erliegen kommt? Was heißt „die Wirtschaft“: Ein großer Teil der Erwerbstätigkeit und damit auch der Möglichkeit, Geld zu verdienen, ist verloren gegangen. Erwarten Sie hier jedoch keine Antwort auf diese Frage. Erstens: In einem Monat sieht man die Sache vielleicht klarer. Und zweitens: Die Sache ist unheimlich kompliziert.

Sagen wir so: Wir sind durch das Virus in eine Lage gekommen, die man mit einem Brand vergleichen könnte. Da wird zunächst einmal nicht herumgetan, sondern die Feuerwehr gerufen. Soweit man das bis jetzt beurteilen kann, ist die Ausbreitung des Feuers beim Coronavirus eingedämmt worden, aber auch sehr viel Wasserschaden entstanden. Ja, der Vergleich hinkt: Es geht hier um Menschenleben; das muss extrem viel wert sein.

Gerade aber weil das eine so fundamentale Abwägung ist, muss mehr und offener darüber diskutiert werden; auch wenn am Ende herauskommt, dass der eingeschlagene Weg der beste ist: Wie lange können wir es uns leisten, den Wirtschaftskreislauf gekappt zu halten? Wann könnte es mit der Ernährung knapp werden? Wie können wir die gesundheitlichen Risiken minimieren, wenn wir bald wieder arbeiten müssen, obwohl das Virus noch da ist? Geht das nur mit Totalüberwachung? Und überhaupt: Wo beginnen wir, das gewohnte Leben wieder hochzufahren?

Solche Fragen sollte man nicht der Regierung überlassen. Wie überfordert sie – aus nachvollziehbaren Gründen – sein kann, hat man beim Disput zwischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) über die Ausweitung der COVID-19-Tests gesehen: Sie drängte auf flächendeckende Tests, er bezeichnete dies als populistisch und verteidigte den Fokus auf bloße Verdachtsfälle. Aber nicht lange. Zuletzt kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine massive Ausweitung der Tests an – und zwar inklusive nicht ganz zuverlässiger Schnelltests.

Kurz hat damit vielleicht auch schon einen Kurswechsel angedeutet: Mittelfristig sollen wir im Umgang mit dem Coronavirus nicht mehr ganz so kompromisslos sein wie bisher. Wir sollen damit leben lernen und es zu einem Teil unseres Alltags machen; ja, auch auf die Gefahr hin, dass wir uns anstecken könnten.

So weit sind wird aber noch nicht. Bisher hat die Regierung sehr weitreichende Notmaßnahmen diktiert. Sie galten als alternativlos. Das ist kein Dauerzustand: Wenn die Regierung auch in den nächsten Monaten in einer solchen Art und Weise bestimmt, in welchen Branchen zum Beispiel wieder gearbeitet werden darf, dann nähern wir uns einer Planwirtschaft. Das kann nicht gut gehen. Schwarmintelligenz wäre stattdessen gefragt: Alle möglichen Gruppen der Gesellschaft sind gefordert, Optionen zu entwickeln – und die Politik wäre gut beraten, das zu fördern, könnte letzten Endes doch auch sie davon profitieren.

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2 Kommentare
  1. Christopher Temt 3 Jahren ago

    Die Totalüberwachungsphantasien sind erschreckend und absurd. Ich möchte nur auf den absurden Aspekt eingehen, denn in diesem Gesetz müsste ja auch stehen, dass ab in Kraft treten jeder Handybesitzer, unabhängig davon ob er nun infiziert ist oder nicht und er die Wohnung verläßt, das Handy bei sich online zu tragen hat.
    Überwachung geht aber auch einfacher und menschenrechtskonformer, wenn bei Infizierten erstens die Polizei unregelmäßig anläutet und so schaut, ob jemand zu Hause ist und zweitens durch Nachbarschafts – oder Freiwilligenhilfe gewährleistet ist, dass sie alles notwendige (Essen, Klopapier(!), Zeitungen, …) erhalten ud so nicht gezwungen sind, das Wohnung zu verlassen. Drittens bedarfs es harter Sanktionen, wenn jemand trotzdem seine Wohnung als Infizierter verläßt und einer Berichterstattung darüber in den Massenmedien. Nichts ist alternativlos.

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  2. michael m-e 3 Jahren ago

    „Geht das nur mit Totalüberwachung?“
    .
    im grunde genommen wird hier (nur) die frage nach der richtigen messmethode gestellt. totalüberwachung ist eine symptombekämpfung, die sich totalitäre regime (irgendwann) erlauben „müssen“, wenn sie ihre politische position nicht um die burg aufgeben wollen.
    .
    für infektions-fälle ohne symptome ist sowas allerdings überhaupt nicht geeignet. wenn die ketten einmal in gang gesetzt sind, hat man die chance, präventiv handel zu können schon verspielt.
    wer bei all den auferlegten restriktionen die mit abstand beste messmethode = tests nicht ausreichend ausschöpft, soll a) nach S-Korea b) in die USA schauen. werbespot-zitat: „der Vergleich macht Sie sicher!“

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