Frech, frecher, Landeshauptleute

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ANALYSE. Ausgerechnet die Väter der Impfpflicht beginnen von ihr abzurücken – und zwar mit Argumenten, mit denen sie ihre eigene Glaubwürdigkeit beschädigen.

Frechheit siegt: Mit der Impfpflicht habe sich der Bund in eine Sackgasse manövriert, poltert der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ). Zur Erinnerung: Er uns seinesgleichen, also Landeshauptleute, haben dem damaligen Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) sowie Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) im vergangenen November bei einem nächtlichen Treffen am Achensee die Impfpflicht aufs Auge gedrückt. Letztlich erhielten diese auf parlamentarischer Ebene immerhin die Unterstützung nicht nur von türkisen und grünen Abgeordneten, sondern auch der meisten roten und pinken. Ein bisschen sind das jetzt aber die Deppen der Nation.

Natürlich: Die Umsetzung unter Mücksteins unmittelbarer Verantwortung läuft inferior, die Lotterie ist gescheitert, Datenbanken, die notwendig sind, um die Pflicht auch wirklich exekutieren zu können, lassen auf sich warten. Das ist nicht Schuld der Landeshauptleute. Sie aber haben das Ganze maßgeblich initiiert.

Und sie sind jetzt die ersten, die abspringen: Der Kärntner Peter Kaiser (SPÖ) drängt, die Verhältnismäßigkeit neu zu prüfen: Grundrechtseingriff ein-, Überlastung des Gesundheitssystems andererseits. Der Salzburger Wilfried Haslauer (ÖVP) ist skeptisch, dass sich das noch ausgeht – für die Impfpflicht, wohlgemerkt. Er will noch vor Mitte März Klarheit.

Ob die beiden das ernst nehmen? Genauer: Ob sie sich selbst noch glauben können? Sie sprechen grundsätzliche Fragen an, die vor der Beschlussfassung zu klären gewesen wären. Sehr wahrscheinlich hätte man dann so, wie Haslauer und Kaiser das heute auslegen, zum Schluss kommen müssen, dass es keine Impfpflicht geben darf.

In dem Moment, in dem man feststellt, dass sich die Spitäler bedrohlich füllen, ist es zu spät, mit einer Impfpflicht daherzukommen. Bisher hatte man annehmen können, dass das auch Teil der Überlegungen vom Achensee war: Damals stand Österreich mit sehr vielen Infektionen und Patienten am Höhepunkt einer Welle und sah sich gezwungen, einen weiteren Lockdown zu verhängen. Die Impfpflicht sollte dazu dienen, es im Hinblick auf weitere Wellen nicht noch einmal so weit kommen zu lassen.

In diesem Sinne ist die Impfpflicht auch laut den Erläuterungen zum entsprechenden Begutachtungsentwurf sozusagen als Vorsorge gemeint: „Zielsetzung“ sei es, „eine nachhaltig hohe Durchimpfungsrate zu schaffen“, heißt es ausdrücklich. Wobei es eben schwer sei, einen genauen Prozentsatz festzulegen, weil kommende Virusvarianten – laienhaft gesprochen – unterschiedlich gefährlich sein können.

Das ist vielleicht eine Schwäche der Impfpflicht: Sie ist auf Unabsehbares ausgerichtet. Vielleicht ist man irgendwann sehr froh über noch mehr Geimpfte, vielleicht stellt sich heraus, dass es nicht notwendig gewesen wäre. Aber das sollte auch den Landeshauptleuten, die sich offenbar an tagesaktuellen Spitalszahlen orientieren, schon länger bekannt sein.

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