ANALYSE. In der Schweiz ist die Quarantänepflicht längst aufgehoben, gibt es trotzdem nicht mehr Spitalspatienten. Glück? Nicht nur.
Die Frage, wer wie gut oder schlecht durch die Pandemie kommt, ist schwer zu beantworten. Ein Hinweis ist nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO die Entwicklung der Übersterblichkeit. Wie hier ausgeführt, ging sie besonders in Ländern, die es zu Beginn hart getroffen hatte, im zweiten Jahr (2021) stark zurück. Zum Beispiel in der Schweiz, in Schweden und ganz besonders in Belgien. In Österreich ist sie jedoch sehr hoch geblieben. Eine mögliche Erklärung dafür könnte sein, dass man nach einem harten, in Bezug auf die Pandemiebekämpfung aber sehr wirkungsvollen Lockdown im Frühjahr 2020 hierzulande nicht mehr die Kraft aufbringen wollte, konsequent bei einem bestimmten Weg zu bleiben.
Auffallend ist, dass Österreich heute mit wesentlich größeren Beschränkungen dasteht als andere Staaten in Europa (siehe Grafik). Die Universität Oxford versucht sie durch einen „Stringency Index“ zum Ausdruck zu bringen, wobei 100 für das maximal Mögliche steht (zum Beispiel eine Ausgangssperre). Für Österreich wird derzeit ein Wert von 35,19 ausgewiesen, für Deutschland ein ziemlich genau halb so hoher (17,59). Am niedrigsten ist er in Dänemark, der Schweiz, Schweden und im Vereinigten Königreich mit jeweils 11,11.
Kein Wunder: Hierzulande wird erst angefangen, öffentlich über die Quarantänepflicht zu diskutieren. In der Schweiz ist sie seit drei Monaten abgeschafft. Da wie dort steigen die Infektionszahlen derzeit, es dürfte aber unterschiedlich stark abweichende Dunkelziffern geben. Bei den Eidgenossen wird in einer Woche nicht so viel getestet wie in Wien allein an einem Tag. Aussagekräftiger sind daher Spitalszahlen: Laut „Our World in Data“ gibt es in der Schweiz und in Österreich zurzeit ähnlich viele Patientinnen und Patienten mit Corona (gemessen an der Bevölkerung).
Vielleicht hatten die Schweizer auch nur das Glück, ihre Maßnahmen im Frühjahr zu lockern, als bereits Omikron vorherrschend war. Andererseits haben sie immer nur das Nötigste getan, das aber entschieden und ohne ständige Änderungen. Österreich ist fahriger, insgesamt aber vorsichtiger geblieben, um es vorsichtig auszudrücken. Wahrscheinlich ist, dass nach dem Crash in der Delta-Welle im vergangenen Herbst sowie durch die dann doch nicht angewendete Impfpflicht erst recht jedes Maß verloren gegangen ist. Politik ist verunsichert.
Die Quarantänepflicht soll laut Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) nicht so schnell abgeschafft werden. Es soll geprüft werden, wie in Abhängigkeit jeweils gängiger Virusvarianten in Zukunft damit umgegangen werden könnte. Sprich: Damit die Pflicht fällt, müsste wohl eher eine Variante daherkommen, die umgangssprachlich als sehr „mild“ bezeichnet wird. Womöglich sogar „milder“ als bisherige Omikron-Subtypen.
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