Ärzte im „Krieg“

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ANALYSE. Die Standesvertretung hat schon zu oft zu dick aufgetragen. Das rächt sich. Gesundheitsminister Rauch kann’s recht sein.

Die Ärztekammer verkörpert als Standesvertretung so ziemlich das Gegenteil dessen, was eine Ärztin, einen Arzt ausmacht und gemeinhin auch zu einer Person macht, der man vertraut: Sie ist lärmend und neigt zu einer gewalttätigen Sprache. Googelt man beispielsweise, wie oft sie schon eine „Kriegserklärung“ gegen sich geortet hat, bekommt man das Gefühl, dass das für sie ein Dauerzustand ist: Im vergangenen Jahr hat laut steirischem Kammerpräsident Herwig Lindner die Österreichische Gesundheitskasse eine „Kriegserklärung an die Wahlärzt:innen“ vorgenommen. Wenig später folgte Wiens Kammerpräsident Johannes Steinhart mit der Aussage, dass Überlegungen, Medizin-Uni-Absolventen zu einer befristeten Kassenarzt-Tätigkeit zu verpflichten, eine „Kriegserklärung des Ministers“ Johannes Rauch (Grüne) darstellen würden. Vor wenigen Wochen ortete Steinhart wiederum eine „absolute Kriegserklärung und Zerstörung der Hausapotheke“, weil die Versorgung durch klassische Apotheken in Österreich ausgeweitet werden soll.

Wenn überhaupt, gibt es kaum eine andere Lobby hierzulande, die mit einer solchen Rohheit agiert.

Jetzt ist Johannes Rauch laut Steinhart wiederum „Totengräber des solidarischen Gesundheitssystems“. Womit er sich im Übrigen auf einem Niveau mit der Herbert Kickl-FPÖ befindet, die den Grünen als „Scharfrichter“ bezeichnet. Aber das ist eine andere Geschichte. Der Punkt ist, dass die Ärztekammer ihrer Sache nichts Gutes tut. Wer so agiert – und auf die Schnelle auch noch zehn Millionen Euro für eine großflächige Kampagne aufstellt, um sich eine breitere Öffentlichkeit zu kaufen -, provoziert Ablehnung. Und zwar aus Prinzip.

Das Anliegen und die Sache selbst gehen unter. Wobei: Was ist so schlimm daran, dass die Zulassung selbstständiger Ambulatorien nicht mehr in jedem Fall der Ärztekammer-Zustimmung bedürfen soll? Oder dass Genehmigungsverfahren für Gruppenpraxen vereinfacht werden sollen? Entscheidend ist, dass die Qualität stimmt. Es ist eher sogar seltsam, dass eine Standesvertretung bei solchen Fragen entscheidend sein darf; aus dem einfachen Grund nämlich, dass es hier immer einen Interessenskonflikt gibt – sie bzw. ihre Mitglieder sind auch Betroffene.

Was Rauch nun durch eine Gesetzesänderung auf parlamentarischer Ebene durchsetzen möchte, geht auf eine Bund-Länder-Vereinbarung zum Finanzausgleich zurück. Neben dem ungestümen Auftreten von Leuten wie Steinhart hilft ihm das, sich durchzusetzen. Indirekt sind damit nämlich auch die SPÖ (über die Länder Wien, Burgenland, und Kärnten) sowie – zusätzlich zur Regierungszusammenarbeit auf Bundesebene – die ÖVP (über die übrigen Länder) dabei.

Die ÖVP-Unterstützung hält: „Die nun plötzlich auftauchende Kritik (der Ärztekammer; Anm.) kommt nicht nur viel zu spät, sondern macht den gleichen Fehler wie in der Vergangenheit“, erklärt Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky: „Die Bürgerinnen und Bürger müssen im Mittelpunkt unseres Gesundheitswesens stehen und nicht Einzelinteressen.“

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