Wo das Kreuz verschwindet

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ZAHLEN ZUM TAG. Christen sind in Wien nicht mehr in der (absoluten) Mehrheit. Vielleicht ist bisher auch deshalb niemandem aufgefallen, dass das KH Nord kreuzfrei ist.

Die Geschichte ist ohnehin bezeichnend: Seit der Eröffnung des Wiener KH Nord (bzw. „Klinik Floridsdorf“) im vergangenen Jahr sind schon mehrere Monate vergangen. Dass sich in den Zimmern keine Kreuze befinden, ist jedoch erst jetzt jemandem aufgefallen und öffentlich bekannt geworden. Zur Stelle ist umgehend FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz, der von einem „Kniefall vor fremden Kulturen“ spricht. ÖVP-Vertreter sorgen sich wiederum um ein „christlich-jüdisches“ Erbe (dieser Kunstbegriff wäre eine eigene Abhandlung wert – aufgrund einer antijudaistischen Seite der Religionsgeschichte handelt es sich um eine Ungeheuerlichkeit gegenüber Juden). Da wie dort schwingt die Warnung mit, dass das alles nur dem Islam zuliebe geschehe.

Man kann die Geschichte aber auch ganz nüchtern betrachten: Es gibt immer weniger Christen in Wien. Bis 2001 wurde die Konfession über die Volkszählung erfasst. Seither ist das schwieriger. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat die Entwicklung in einer Studie dargestellt: Betrug der Anteil der Katholiken 2001 noch 49 Prozent, so handelte es sich 2016 nur noch um 35 Prozent. Leicht gesunken ist der Anteil der Evangelischen (von fünf auf vier Prozent), stark gestiegen – aufgrund der Zuwanderung aus dem Osten – ist der der Orthodoxen (von sechs auf zehn Prozent). Summa summarum sind das schon vor vier Jahren nur noch 49 Prozent gewesen.

Gewachsen ist dagegen die Gruppe der Konfessionslosen: von 26 auf 30 Prozent. Sie sind damit schon fast so zahlreich wie die Katholiken. Zunehmend, aber noch auf niedrigem Niveau, ist der Anteil der Muslime (14 Prozent).

Der weitere Trend? In einer Prognose unter dem Titel „Diversität“ haben die Forscher angenommen, dass die Zuwanderung wie zuletzt recht außer-europäisch geprägt sein wird in den nächsten Jahren. Würde das längerfristig zutreffen, würden Konfessionslose im Jahr 2046 vorne liegen (28 Prozent); und zwar vor Katholiken (24) und Muslimen (23 Prozent). Orthodoxe würden es dann auf immerhin 15 Prozent bringen.

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