Was der Mitte zusetzt

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ANALYSE. Neukreditvergaben sind eingebrochen: Das befeuert nicht nur wirtschaftliche und gesellschaftliche, sondern auch politische Verwerfungen.

Seit Sommer 2022 bewegen sich Neukreditvergaben an private Haushalte auf einem Niveau, das sie zuletzt Anfang der 2010er Jahre hatten. Nominell, wohlgemerkt. Berücksichtigt man die Inflation, die seither ziemlich genau 50 Prozent beträgt, ist das Volumen real heute viel niedriger als damals, müsste man also weiter „zurückblättern“; die Daten auf der Seite der Nationalrat geben aber eben nur bis 2010 zurück.

Im ersten Halbjahr 2022 haben Haushalte noch einmal groß Kredite aufgenommen – im Wissen, dass mit dem damaligen August verschärfte Richtlinien in Kraft treten. Diese, aber natürlich auch stark steigende Zinsen, haben dann zum Einbruch geführt. Belief sich das Volumen im Spitzenmonat März 2022 allein für Wohnbauzwecke auf knapp drei Milliarden Euro, so waren es zuletzt, heuer um Februar, nur noch 747 Millionen Euro.

Die Folgen von alledem können schwer überschätzt, aber auch schwer zur Gänze erfasst werden. Der Boom bis 2022 mag einerseits mit niedrigen Zinsen, aber auch steigenden Immobilienpreisen zu tun haben: Man konnte es sich zwar eher leisten, einen Kredit zu finanzieren, für ein Haus oder eine Wohnung war aber mehr Geld nötig.

Ergebnisse: Für die Baubranche waren es alles in allem sehr, sehr gute Jahre, unterm Strich ist mehr gebaut worden. Damit ist es vorbei. Das Wohnbaupaket der Regierung wird kaum etwas daran ändern können. Es hat ein Gesamtvolumen von rund zwei Milliarden Euro.

Für viele Menschen hat sich der Traum von einem Eigentum erledigt. Für eine Masse war ebensolches immer illusorisch, aber nicht für das, was einst als Mittelschicht bezeichnet worden ist. Hier kann man davon ausgehen, dass sich Trends verfestigen, die das Meinungsforschungsinstitut Integral in der Sinus-Milieu-Studie festgestellt hat: Die Mitte löst sich auf. Ein Teil ist frustriert, ein anderer fügt sich den Umständen und versucht das Beste daraus zu machen.

Das bekommt natürlich auch die Politik zu spüren: Besonders die Krise der alten Mittelpartei ÖVP, der Eigentum noch immer schier heiligt ist, hat unter anderem damit zu tun, dass sie mit diesen Umständen nicht zurechtkommen kann.

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