Vom Ausnahme- zum Dauerzustand

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ANALYSE. Für Österreich und andere Länder ist kein Ende demokratischer Zumutungen in Sicht. Darauf sollte endlich auch politisch reagiert werden.

Ein Blick in andere Länder ist wenig beruhigend: In der Schweiz weist die „Neue Zürcher Zeitung“ in ihrem „Briefing am Dienstagmorgen“, einem Newsletter, auf die Corona-Entwicklungen in Österreich hin. Nicht schadenfreudig, sondern besorgt bzw. mit dem Hinweis, dass eine solche Infektionswelle mit vielen Spitalspatienten auf der einen und Maßnahmen auf der anderen Seite auch auf die Eidgenossen zukommen könnten. Immerhin gehen die Kurven überall nach oben. Ein Unterschied ist nur, dass sich die Ausgangslagen unterscheiden. In der Schweiz ist die Inzidenz bestätigter Infektionen gerade dreimal kleiner als in Österreich und auch in den Krankenhäusern beginnen die Zahlen erst zu steigen.

Noch bemerkenswerter ist eine weitere „Auslandsmeldung“: Dänemark beendete vor zwei Monaten die Pandemie, hob die letzten Beschränkungen auf. Heute werden die ersten wieder in Kraft gesetzt.

„Corona“ ist nicht vorbei, weder für Geimpfte noch für Ungeimpfte, wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz im Sommer (für Erstere) verheißen hatte. In einem „Presse“-Leitartikel macht Köksal Baltaci einen interessanten Vorschlag: „Die 1-G-Regel, also eine PCR-Testpflicht für alle, könnte eine Lösung sein, von der Ungeimpfte ebenso profitieren würden wie Geimpfte und Genesene.“ Baltaci weist auf ein Problem hin, das bisher unterschätzt worden ist: Auch Geimpfte können das Virus übertragen. Die Spitzenviruslast müsse bei ihnen nicht kleiner sein, sie werde „nur“ rascher abgebaut als bei Ungeimpften.

Außerdem unterschätzt wurde bisher unter anderem: Geimpfte werden kaum schwer erkranken, sie tun es in steigender Zahl, aber doch so sehr, dass die Normalstationen in den Spitälern gefordert sind. Und: Die Impfwirkung lässt relativ schnell nach, also wird zu Drittimpfungen aufgerufen. Zur ohnehin schon unzureichenden gewöhnlichen Impfkampagne wird somit eine zusätzliche zum Boostern erforderlich.

Ganz nüchtern und auf Basis der bisherigen Pandemie-Erfahrungen lässt das befürchten, dass der Ausnahme- zu einem Dauerzustand werden könnte. Dass, sofern sich Hoffnungen auf Medikamente nicht bald erfüllen, in absehbarer Zeit also immer wieder Beschränkungen notwendig werden.

Das erfordert einen Paradigmenwechsel in der Politik. Es reicht nicht, sich damit zu trösten, dass hier Aussichten auf „ein Leben mit Corona“ zum Ausdruck kommen. Es muss sich auch die Beziehung zu den Bürgerinnen und Bürgern ändern.

Die scheidende deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat zu Beginn der Krise darauf hingewiesen, dass die Pandemie eine demokratische Zumutung sei. Schnell hat man vergessen, wie sehr sie es ist: Es ist nicht normal, dass es etwa Zugangsbeschränkungen im öffentlichen Raum gibt, die einst für alle frei zugänglich war.

Gerade weil das nicht normal ist, muss Schluss sein mit der „Top-Down“-Politik, die Menschen verordnet, was sie zu tun oder zu unterlassen hätten. Gerade auch weil Maßnahmen sehr gut begründet sein könnten, muss mehr Erklärung, Bewusstseinsbildung und Debatte her. Muss Politik aufhören, ausschließlich „Fünf vor zwölf“ zu agieren, wenn es wie bei einem Haus in Vollbrand zunächst einmal keine Alternative zu einem Löscheinsatz gibt, man also keine Wahl mehr hat.

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