ANALYSE. In Österreich leben sehr viele Menschen in hochwassergefährdeten Gebieten. Schlimmer: Auch in Niederösterreich wird ausgerechnet hier weiter Bodenversiegelung betrieben.
Nach dieSubstanz.at hat nicht nur das Ö1-Mittagsjournal, sondern auch die ZIB über den OECD-Hinweis berichtet, dass in Österreich sehr viele Menschen in einem Gebiet wohnen, das von einem zehn-jährlichen Hochwasser betroffen sein könnte. Der Kanzler durfte das Problem in der Sendung jedoch mit einer Aussage zum Thema Bodenversiegelung abhandeln, die daran vorbeigeht: „96 Prozent der Flächen in Niederösterreich sind nicht verbaut und trotzdem haben wir jetzt gesehen, welchen Druck das Wasser aufbauen kann.“ Punkt, fertig, keine Einordnung.
Natürlich geht es bei der Bodenversiegelung insbesondere darum, dass Regenwasser dadurch nicht mehr versickern kann und so mehr an der Oberfläche zusammenkommen sowie eine größere Wucht erzielen kann. Sind Böden jedoch gesättigt, wird das generell schwer bis unmöglich. Genauso wie Renaturierung allein von beschränkter Wirkung ist. Es handelt sich nur um einen wichtigen Teil einer Lösung.
Es geht viel weiter. Wesentlich ist der Hinweis darauf, dass 25 Prozent der Menschen in Österreich in hochwassergefährdeten Gebieten leben. Eine Auswertung das Landwirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2018 zeigt, dass das ungefähr auch dem Anteil in Niederösterreich entsprechen dürfte. Hier ist (bei einer Risikodefinition im Sinne einer EU-Richtlinie) von 165.053 von insgesamt rund 750.000 Haushalten landesweit die Rede.
Ein Ausschnitt auf der amtlichen Karte zur Risikozonierung macht wiederum deutlich, dass bei einem sehr großen, also einem 300-jährlichen Hochwasserereignis weite Teile zwischen Krems und Tulln unter Wasser stehen würden. Wo es auch jetzt zu Überschwemmungen gekommen ist. Und schon vor 21 Jahren (2003).
300-jährliches Hochwasser mag extrem, ja unwahrscheinlich klingen. Beim Weinfluss ist jetzt aber sogar ein 1000-jährliches festgestellt worden.
Das Verhängnisvolle ist, dass zwischen Krems und Tulln von Gegenden die Rede ist, die nicht nur aus jahrhundertealten, sondern auch aus sehr neuen Siedlungen bestehen. Zum Beispiel in Grafenwörth, wo gerade ein „Dubai vom Weinviertel“ errichtet worden ist bzw. „hunderte Häuser auf die Wiese gebaut“ worden sind, wie die „Wiener Zeitung“ in einem ihrer Artikel zu den Affären um Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) schreibt.
Mit derlei gehen zwei Dinge einher: Es wird Boden versiegelt, sodass Wassermassen schwerer versickern können. Und es wird dazu beitragen, dass bei Hochwasser größere Schäden entstehen, dass Menschen, die in solchen Gegenden einen bewilligten Neubau erwerben, im schlimmsten Fall alles verlieren und in Not gebracht werden. Zumal man heutzutage ja auch schon mit dem rechnen muss, was nach bisherigen Maßstäben als 1000-jährliches Hochwasser bezeichnet wird. Siehe Wienfluss.
Nachtrag zur Flächeninanspruchnahme in Niederösterreich: Sie beträgt laut Raumordnungskonferenz 8,5 Prozent der Landes- und 14 Prozent des Dauersiedlungsraums: „Von der gesamten in Anspruch genommenen Fläche sind in Niederösterreich durchschnittlich rund 52 Prozent versiegelt, das sind 854 km².“ Das entspricht – bei etwas geringerer Landesbevölkerung – ungefähr zwei Mal der Fläche Wiens (inklusive Wienerwald, Prater, Lobau etc.), die durch bauliche Maßnahmen wasserundurchlässig gemacht worden ist.