ANALYSE. Anders als in Deutschland zeichnen sich in Österreich keine weitreichenden Beschränkungen ab. Dafür sorgt die ÖVP – aus einem einfachen Grund.
„Bläulich-türkis“, lautete der Titel des Newsletters von „Krone“-Chefredakteur Klaus Herrmann am Morgen nach dem Bundesparteitag der ÖVP. Grund: Anlehnungen bei den Freiheitlichen waren dort unüberhörbar. Nicht nur, dass im Leitantrag vor „Autofahrerfeindlichkeit“ gewarnt und weitere Fremdenrechtsverschärfungen gefordert wurden; Klubobmann August Wöginger und Parteichef, Kanzler Sebastian Kurz versuchten auch über einen Außenfeind für Geschlossenheit zu sorgen. Motto: „Alle sind gegen uns.“
Die ÖVP ist nicht zufällig „bläulich-türkis“, im Mittelpunkt strategischer Überlegungen sehen immer auch FPÖ-Wähler, die sie unter Kurz zu Hunderttausenden gewonnen hat und behalten möchte. Das wird mehr und mehr auch bei der Pandemie sichtbar.
Im deutschen Bundesland Baden-Württemberg (elf Millionen Einwohner) spricht sich Innenminister und CDU-Obmann Thomas Strobl dafür aus, allfällige Corona-Maßnahmen künftig auf Ungeimpfte zu beschränken: „Wenn es auf die Intensivstationen durchschlägt, muss man handeln. Es wäre falsch, dann alle in Mithaftung zu nehmen, auch die Geimpften – deshalb wird es für Ungeimpfte andere Regeln geben als für Geimpfte,“ sagte Strobl der Zeitung „Bild am Sonntag“. Konkret geplant wird Massives: Kontaktbeschränkungen für ungeimpfte Erwachsene und ein Besuchsverbot von Restaurants und Konzerten. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der der Schwesterpartei CSU angehört, unterstützt den Vorstoß, so die „Stuttgarter Zeitung“ in einer Zusammenfassung zum Thema.
In Österreich ist allenfalls eine „1-G-Regel“ für Discobesuche vorgesehen: Wenn die Zahlen weiter steigen würden, werde es dazu kommen, stimmt Sebastian Kurz mit entsprechenden Überlegung des grünen Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein überein. Gemessen an der Bevölkerung würde das einen Anteil im Promillebereich direkt betreffen. Mehr wird kaum kommen.
„Bläulich-türkis“, das im Sinne der Autofahrer gegen Spritpreiserhöhungen ebenso ist wie gegen eine Abschaffung des Dieselprivilegs, wird kaum den Konflikt mit Ungeimpften suchen. Rein aus Überzeugung Ungeimpfte finden sich in allen Lagern und Bevölkerungsgruppen. Unter anderem stärker vertreten sind sie jedoch in der FPÖ-Wählerschaft, mit der es sich die neue ÖVP nicht verscherzen möchte.
Die Uni Wien hat bei ihren regelmäßigen Erhebungen herausgefunden, dass FPÖ-Wähler „signifikant weniger“ bereit sind, sich impfen zu lassen – und zuletzt denn auch wenig überraschend festgestellt, dass in Gemeinden mit hohem FPÖ-Stimmenanteil die Impfraten relativ niedrig seien.
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