Türkise Coronakrise

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ANALYSE. Zu einem Kanzler, der keine Fehler eingestehen will, kommt eine Landtagswahl, die der Partei zu wichtig ist, um zeitgerecht Kurskorrekturen in der Pandemie-Bekämpfung vorzunehmen.

Es ist kaum übertrieben, die oberösterreichische Landtagswahl Ende September als den wichtigsten Urnengang der ÖVP seit der Nationalratswahl 2017 zu bezeichnen. Es gibt mehr als eine Million Wahlberechtigte, vor allem aber geht es für die Freunde von Sebastian Kurz darum, einen Absturz zumindest ein Stück weit wiedergutzumachen: Bei der Landtagswahl vor sechs Jahren, verloren sie laut SORA-Analyse ganze 84.000 Stimmen an die Freiheitlichen, konnten diesen aber nur 13.000 abnehmen. Andere Wählerströme waren gemessen daran geradezu vernachlässigbar (siehe Grafik).

Für die gesamte Volkspartei ist es von entscheidender Bedeutung, das am 26. September zu drehen, so gut es geht. Das jedoch ist schlecht für das übrige Österreich: Alles, was dieser einen Sache schaden könnte, ist tabu für die Köpfe der Partei – sowohl für Landeshauptmann Thomas Stelzer als auch für Sebastian Kurz auf Bundesebene. Das reicht von jeglicher Debatte über eine CO2-Bepreisung bis hin zur Aufnahme auch nur einzelner Schutzbedürftiger aus Afghanistan. Letzteres würde aus ihrer Sicht mit dem Risiko einhergehen, 2015 insofern zu wiederholen, als die Freiheitlichen seinerzeit ja fast nur aufgrund der damaligen Flüchtlingskrise gewonnen haben. Da gibt es null Spielraum für sie.

Akut gefährlich ist dieser Fokus allein auf die Landtagswahl in Bezug auf die Coronapolitik. Und zwar in Verbindung mit Aussagen, die Kurz getätigt hat: Licht am Ende des Tunnels, Normalität ab dem Sommer 2021 und Ende der Pandemie für Geimpfte – all das sollte zum Ausdruck bringen, wie erfolgreich man das Virus bekämpft habe, schürte andererseits aber auch Erwartungen, wonach alles vorbei sei.

Schlimmer: Unter diesem Umständen konnte Kurz nicht einmal Strategiepläne für weitere Infektionswellen gutheißen, die wenigstens ein bisschen Orientierung geboten hätten, womit im Falle des Falles zu rechnen ist. Das durfte nicht sein, es hätte „Normalität“ widersprochen. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) spielte praktischerweise mit.

Also gab es zum Beispiel auch keine Test-Offensive für Reiserückkehrer. In der Schweiz, wo die Ferien in den meisten Kantonen längst vorbei sind, sieht an, was damit riskiert wird: Infizierte Rückkehrer befeuern am Arbeitsplatz und in der Schule die vierte Welle. Fast nur Ungeimpfte landen im Spital und tragen einmal mehr zu einer massiven Belastung ebendort bei. Das wird zunehmend auch zu einer Bedrohung für Geimpfte, könnte es unter anderem doch zu einer neuerlichen Verschiebung sogenannter Wahleingriffe führen, bei der der Corona-Impfstatus nichts zur Sache tut.

In Österreich sind mit rund 60 Prozent der Menschen zwar mehr geimpft als in der Schweiz (erst gut die Hälfte), aber auch das scheint zu wenig zu sein. In Oberösterreich ist mit 28 Patienten der erste kritische Richtwert für die Intensivstationen erreicht. Man könnte dazu auch Wien anführen, wo bereits eine Aufstockung der Kapazitäten läuft, aber im Mittelpunkt steht nun einmal Oberösterreich: Eingeständnisse verboten sich dem Kanzler, der die Pandemie-Bekämpfung immer wieder zur Chefsache gemacht hat, wegen der dortigen Wahl. Ja, vor allem auch das Thema Impfen „muss“ ihretwegen unterdrückt werden: FPÖ-Wähler sind damit nicht zu gewinnen. Im Gegenteil.

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