Schade um das Hitler-Haus

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Kommentar von Gerhard Marschall. Wenn es aus Feigheit nicht zu Verantwortung gegenüber der Geschichte reicht.

Jetzt also die Polizei. In das Hitler-Geburtshaus in Braunau soll eine Wachstube einziehen, das hat Innenminister Wolfgang Peschorn dieser Tage angekündigt. Nach Jahren der Ratlosigkeit und des zögerlichen Hin und Her immerhin eine Entscheidung, wenngleich die nicht gerade von Courage und Phantasie zeugt. Eher von populistischem Kalkül. Gegen die Polizei lässt sich schwer etwas einwenden. Das Gute gegen das Böse sozusagen. Und das Thema Sicherheit zieht sowieso immer.

Das Argument, dass Ewiggestrige, Jungrechtsextreme und sonstige Idioten von dem Haus ferngehalten würden, weil sie befürchten  müssten, quasi der Polizei in die Arme zu laufen, greift zu kurz. Wenn sie wollen, werden sie – etwa zu Hitlers Geburtstag am 20. April – weiterhin nach Braunau pilgern und ihre Huldigungen eben raffinierter und diskreter ausleben. Diesbezüglich sind diese Kreise überaus kreativ. Es geht nicht um vordergründige Verdrängung von einem Ort. Es geht um den Ungeist, den es zu bekämpfen und auszutreiben gilt.

Genau dafür könnte das Haus in der Braunauer Vorstadt Symbol sein. Eine Polizeistation schafft das nicht. Dies schon deswegen, weil uniformierte Exekutivorgane von Natur aus zu Autoritarismus neigen, auch gegen rechte Gesinnung nicht immun sind. Das haben zuletzt die gut eineinhalb Jahre unter Innenminister Herbert Kickl bewiesen. Einzig das Gebäude abzureißen, wie zwischenzeitlich auch einmal diskutiert, wäre eine noch schlichtere Lösung gewesen. Dahinter verbarg sich die Hoffnung, das Unangenehme auslöschen zu können – die Sehnsucht nach dem Vergessen.

Der seinerzeit vom Innsbrucker Politikwissenschaftler Andreas Maislinger vorgeschlagene „Haus der Verantwortung“, wäre hingegen eine Chance gewesen. Junge Menschen sollten hier arbeiten, sich Gedanken über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft machen. Die spannende Idee ist an politischer Feigheit gescheitert. Auch an falscher Sorge, dass damit das belastete Erbe immer weiter getragen, niemals Ruhe einkehren würde. Dass Braunau damit hadert, jener Ort zu sein, an dem alles begann, ist verständlich. Doch das lässt sich nicht tilgen, schon gar nicht durch Stillhalten und Schweigen.

Verantwortung gegenüber der eigenen Geschichte ist keine leichte Übung, der aber nicht zu entkommen ist. In der Normandie im Norden Frankreichs wird heuer, zum 75-Jahr-Jubiläum, allerorten und eindrucksvoll der Befreiung von der Nazi-Herrschaft durch die Alliierten im Frühjahr 1944 gedacht. Das geschieht aus tief empfundener Dankbarkeit gegenüber den abertausenden Soldaten, die bei der gigantischen Militäroperation ihr Leben verloren. Und das geschieht, obwohl die „Liberation“ auch mit vielen zivilen Opfern verbunden war. Der Preis für Freiheit und Demokratie war hoch, aber ohne Alternative.

Das kollektive österreichische Geschichtsbewusstsein tickt anders: Zuerst war der so genannte „Anschluss“, dann war „Besatzung“, dazwischen war Krieg – und irgendwie hatte das alles nichts mit uns zu tun. Bis der Staatsvertrag kam und sich alles in Wohlgefallen auslöste. Das gipfelte lange Zeit in der Deutung des Nationalfeiertags, dass am 26. Oktober „der letzte Besatzungssoldat das Land verlassen“ habe. Keine Rede von „Befreiung“. Auf diesen Legenden wurde die Zweite Republik errichtet.

Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, dem Hitler-Geburtshaus eine ernsthafte rückblickende und vorausschauende Widmung zu verleihen. Eine Polizeistation zählt nicht dazu. Auch nicht bei noch so viel architektonischer Veränderung und Behübschung des Hauses.

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