ANALYSE. Die niederösterreichische Landeshauptfrau setzt auf einen Rückzug in eine vermeintlich heile Welt. Klimaaktivisten werden da gerne als Störenfriede dargestellt.
„Die Welt. Die Zeit. Unsere Wahl.“ So lautet ein Slogan, mit dem die niederösterreichische ÖVP mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner für eine Stimme bei der Landtagswahl am 29. Jänner wirbt. Man kann ihn hohl finden. Man sollte jedoch nicht übersehen, dass er sehr wirkungsvoll sein könnte.
Schon vor der deutschen Bundestagswahl im Herbst 2021 hat die Wochenzeitung „Die Zeit“ in einer Analyse eine verhängnisvolle Entwicklung festgestellt: Die Welt ist voller Herausforderungen. Diese sind jedoch so groß, dass es zu einer Kapitulation kommt. Man könnte auch von einer Art Biedermeier sprechen: Die erzwungene Abkehr vom öffentlichen Leben hat im 19. Jahrhundert „zu einer besonderen Wertschätzung der privaten Sphäre und zur Verfolgung persönlicher Interessen geführt“, wie hier festgehalten ist. Gegenwärtige Tendenzen sind im Ergebnis ähnlich: Es kommt zu einem Rückzug, einem verstärkten Cocooning und Festklammern an alles, was der Vorstellung von heilen Verhältnissen entspricht.
Für die niederösterreichische ÖVP gibt es viele Gründe, darauf zu setzen: Sie vertritt grundsätzlich einen Kurz’schen Wohlfühlpopulismus. Doch jetzt muss sie mehr denn je dem entgegenwirken, was in der Welt außerhalb der Landesgrenzen geschieht und natürlich auch auf die eigene Bevölkerung einwirkt: Korruptionsaffären, in die die Volkspartei involviert ist. Oder der Krieg in der Ukraine. Oder die steigenden Preise.
Das sind sehr unterschiedliche Dinge, für die blau-gelbe Volkspartei heißt es aber, zum Beispiel die Affären vergessen zu machen (bzw. es zu versuchen), den Eindruck zu erwecken, dass im Land allem Unheil, wie Unsicherheit, ein Miteinander entgegengesetzt wird und dass Mikl-Leitner persönlich dafür sorgt, dass steigende Preise ausgeglichen werden. So könnte sie gar noch zu einer Heilsbringen werden.
Zu den Herausforderungen, die „Die Zeit“ 2021 berücksichtige, zählte natürlich die Klimakrise. Politik setzt zu gerne darauf, dass man mit der allmählichen Erwärmung und vielem anderen mehr schon irgendwie zurechtkommen wird. Dass man allfällige Maßnahmen so verpacken kann, dass möglichst niemand merkt, dass sich etwas ändert. Mit der CO2-Besteuerung geht folglich ein höherer Klimabonus einher. Tempo 100 auf der Autobahn würde hingegen schon zu weit gehen. Das wäre eine spürbare Veränderung, ein Eingeständnis, dass es die Krise gibt.
Darüber, dass das keine brauchbare Klimapolitik ergibt, muss man nicht diskutieren. Es handelt sich vielmehr um eine Fortführung des erwähnten Wohlfühlpopulismus um jeden Preis.
Klimaaktivisten stören diesen doppelt. Genauer: Sie stören ihn selbst, aber auch Menschen, die ihm auf den Leim gehen; die sich gerne einreden (lassen), dass alles nicht so schlimm sei und man daher weitermachen könne wie bisher.
Insofern ist es eine konsequente Fortsetzung eines kurzsichtigen Wohlfühlpopulismus, wenn Mikl-Leitner nun nicht etwa entschlosseneren Klimaschutz, sondern Strafbestimmungen für Klimaaktivisten fordert. Die Aktivisten widersprechen dem, was dieser Populismus vorgaukelt. Sie empören Menschen, die finden, dass diese Proteste daher vollkommen überzogen seien. Womit Mikl-Leitner gar auch noch eine Gelegenheit wittert, sich zu profilieren.
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