ZAHLEN ZUM TAG. Der Ärztemangel ist wohl nicht nur ein Nachwuchsproblem. Das verdeutlichen Daten der Statistik Austria.
Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat eine neue Initiative gestartet: Sie will den Zugang für deutsche „Numerus Clausus-Flüchtlinge“ zum Medizinstudium eindämmen und so mehr Plätze für österreichische Maturantinnen und Maturanten schaffen. So solle der Ärztemangel bekämpft werden.
Ein Blick auf die Daten zu Medizin-Absolventen zeigt, dass dieser Mangel nicht nur auf ein Nachwuchsproblem zurückzuführen ist: Nachwuchs gibt es eher immer mehr.
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Absolventinnen und Absolventen auf 2999 im Studienjahr 2021/2022 beinahe verdoppelt. Wobei: Mit steigender Tendenz handelte es sich dabei um EU- oder EFTA-Staatsangehörige. Nur knapp zwei Drittel waren zuletzt Österreicherinnen und Österreicher. Ob die Absolventen einst eigens fürs Studium zugewandert sind oder schon zuvor hier gelebt haben, ist der Statistik genauso wenig zu entnehmen wie die Antwort auf die Frage, wohin es sie in weiterer Folge zieht. Das muss berücksichtigt werden. Genauso wie die Tatsache, dass es sich um unterschiedliche Studienrichtungen und -Abschlüsse handelt.
Auffallend ist in jedem Fall aber eine starke „Privatisierungstendenz“: Mehr und mehr Absolventinnen und Absolventen werden nicht so sehr an öffentlichen Universitäten, sondern an Privathochschulen verzeichnet. Fast ein Drittel aller 1826 österreichischen Staatsangehörigen, die 2021/2022 mit Erfolg ein Medizin-Studium abgeschlossen haben, tat dies an einer Privathochschule. Dort war ihre Zahl praktisch gleich groß wie die nicht-österreichischer Staatsangehöriger. Auffallend außerdem: Staatsangehörige aus EU-/EFTA-Staaten absolvieren ihr Studium eher an einer privaten als an einer öffentlichen Universität.
Wichtiger für die eingangs erwähnte Problemstellung („Ärztemangel“) ist jedoch dies: Die absolute Zahl der Absolventinnen und Absolventen mit österreichischer Staatsangehörigkeit hat sich zuletzt wieder dem Spitzenniveau angenähert, das in der zweiten Hälfte der 2000er Jahre erreicht war. Gemessen an allen 20- bis 24-jährigen Menschen mit österreichischer Staatsangehörigkeit liegt die Zahl sogar deutlich darüber. Pro 100.000 belief sie sich zuletzt auf 467. 2007 hatte sie 412 betragen, 2012 zwischendurch gerade einmal 273.
Das zeigt: Ein immer größerer Teil der Maturantinnen und Maturanten mit „rot-weiß-roten Pass“ studiert Medizin und bringt es auch zu einem Abschluss. Die Problemstellung ist also vielschichtig und enthält unter anderem wohl auch das Phänomen, dass immer weniger Mediziner eine Kassenpraxis haben wollen.