Langsam wachs ma wieder z’samm

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ANALYSE. In der Not ist die Sozialpartnerschaft gefragt. In den vergangenen Jahren hat Türkis eher nur dagegen agiert.

Rückblickend kommt manch ein Unternehmer ins Schwärmen, wenn er berichtet, wie gut das in der große Wirtschaftskrise vor etwas mehr als zehn Jahren funktioniert habe: Arbeitgeber- und Arbeitnehmer hätten einander geholfen, indem – vereinfacht ausgedrückt – die einen auf Kündigungen verzichtet und die anderen gewisse Nachteile in Kauf genommen haben; oder zum Beispiel dann Urlaub aufbrauchten, wenn sie zwar nicht verreisen wollten, es in der Firma aber halt gar nichts zu tun gab.

Das war typisch Österreichisch, hier ist eine gute Seite der Sozialpartnerschaft zum Ausdruck bekommen. Wobei man jetzt nicht zu nostalgisch werden sollte. Gute von den vielen Seiten sind nie ganz verschwunden; bei der einen oder anderen Lohnrunde werden sie durchaus noch gepflegt.

Heute stehen wir wieder vor schwierigeren Zeiten und da ist die Sozialpartnerschaft plötzlich wieder umfassender gefragt: Sebastian Kurz (ÖVP) hat mit grünen Regierungsvertretern zu einem Gipfel ins Kanzleramt geladen. Thema: Wie umgehen mit den Folgen des Coronavirus? Da geht es um sehr komplexe Fragestellungen, die nur gemeinsam gelöst werden können. Zum Beispiel: Was machen wir, wenn Krippen und Schulen geschlossen werden? Eltern, die erwerbstätig sind, können dann nicht gezwungen werden, ihre Kinder allein zu Hause zu lassen. Andererseits können nicht alle Eltern die Arbeit ruhen lassen. Sonst würde unter anderem auch das Gesundheitswesen zusammenbrechen.

Es sind also wieder Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Kompromisse nötig. Und das ist jetzt nur ein Beispiel. Viele weitere werden folgen, bei denen dieses Aufeinanderzugehen im Sinne guter Sozialpartnerschaft nötig wird.

Das sollte ein Lehre sein. Besonders für Türkis. Die neue ÖVP von Sebastian Kurz hat Sozialpartnerschaft in den vergangenen Jahren eher nur mit Füßen getreten. Um nicht missverstanden zu werden: Politik muss nicht alles Gewerkschafter und Kammerfunktionäre regeln oder blockieren lassen. Im Gegenteil. Man könnte zunächst aber schauen, ob sie etwas zusammenbringen; und man könnte im Übrigen auch darauf verzichten, die Einen gegen die Anderen auszuspielen.

Beides ist passiert. Stichwort „Arbeitszeitflexibilisierung“: Hier hat es nicht einmal einen ultimativen Versuch gegeben, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter ein Modell ausarbeiten zu lassen. Das war nicht klug. Gerade weil davon auszugehen war, dass es zu keiner Einigung kommt, hätte man sich locker darauf einlassen können; dann hätte man nämlich leichter kommunizieren können, dass das über eine türkis-blaue Mehrheit auf parlamentarischer Ebene geregelt werden muss. So aber konnten sich Gewerkschafter ziemlich wirkungsvoll darüber beklagen, überfahren worden zu sein.

Zweites Stichwort: Sozialversicherungsreform. Die Zusammenlegung der Krankenkassen lief lediglich auf eine Machtverschiebung hinaus. Türkis-Blau rein, rot (in Gestalt von Arbeitnehmervertretern) raus. Mehr war da nicht. Doch das hat der Partnerschaft, die jetzt wieder so wichtig wird, nur noch weiter zugesetzt.

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