ANALYSE. So lange die größte Oppositionspartei mit sich selbst beschäftigt ist, Probleme nicht aufzeigen und keine Perspektiven entwickeln kann, geht’s dem Kanzler gut.
Einfacher kann man es der Opposition nicht machen: Wenige Tage vor Beginn der Corona-Impfungen teilte Vorarlberg am Dienstag mit, dass es auf die erste Lieferung verzichte: Laut Vorarlberger Nachrichten war lediglich eine PR-Aktion geplant gewesen. Fünf Dosen hätten demnach unmittelbar nach Weihnachten mit einem Hubschrauber über den Arlberg gebracht werden sollten. „Wir werden uns an der medialen Aktion nicht beteiligen“, bestätigte ÖVP-Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher gegenüber den VN wörtlich.
Was folgte, waren offenbar hektische Konsultationen. Tags darauf teilte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit, dass es schon seit über einer Woche einen anderen Plan gebe und auch Vorarlberg knapp 1000 Dosen bekommen werde. Interessant: Im Land war man darüber nicht informiert gewesen. Oder war einfach nur alles ganz anders? Fragen über Fragen, die dem staatlichen Krisenmanagement und damit auch der Regierung einmal mehr ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellen könnten. Und zwar in einer entscheidenden Geschichte: Der Erfolg der Corona-Impfung ist nicht zuletzt abhängig davon, dass Politik vertrauenserweckend agiert. Hier hat sie es nicht getan.
Zu befürchten hat die Regierung von Sebastian Kurz jedoch nichts. Dazu fehlt es an zu vielem: An großen, reichweitenstarken Medien, die sich nicht über millionenschwere Regierungsinserate zum Teil eines Systems machen und immer wieder gerne berichten, was gewünscht ist. Und an einer Opposition, die wirkungsvoll dagegenhalten könnte.
Eine solche gibt es nicht. Und bei aller Kritik an Regierenden sollte man nie vergessen, dass das System namens repräsentative Demokratie nur mit ihr wirklich gut funktionieren kann. Sprich: Auch sie steht in der Verantwortung.
Es gibt drei Oppositionsparteien in sehr unterschiedlichen Zuständen: Ihrer Aufgabe, ja Pflicht nachkommen können am ehesten nur die NEOS; doch sie sind sehr klein. Die FPÖ liegt am Boden und die SPÖ kann nicht sein, was sie sein sollte.
Auf die PR-Aktion „Impfstoff für Vorarlberg“ konnte die SPÖ schon allein deshalb nichts machen, weil sie wieder einmal mit sich beschäftigt war: Nachdem sich Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner seit Wochen fürs Impfen einsetzt, hat ihr Genosse Hans Peter Doskozil aus dem Burgenland ein paar Äußerungen getätigt, die eher davon abraten. Zitat (laut ORF.AT): „Welche Nebenwirkungen gibt es? Was bedeutet die Impfung für Allergiker? Ist die Impfung gentechnisch verändert, oder nicht? Kann ein geimpfter Überträger sein? Ist es nur so, dass durch die Impfung der Verlauf gedämpft wird. Diese Fragen sind – bitte – nicht beantwortet.“
Das sind große Zweifel, die Doskozil da genährt hat. Und natürlich muss jede Werbung fürs Impfen so gestaltet sein, dass sie auch Risiken artikuliert. Wenn sie von einem Spitzenpolitiker geäußert werden, würde es jedoch zu seinem Job gehören, sie auch zu beantworten. Sonst bleiben sie stehen, nähren Unsicherheiten; vor allem in Österreich, wenn sie irgendetwas Seltsames mit „gentechnischen“ Veränderungen enthalten – dann können sie sogar eine breite Abwehr auslösen.
Pamela Rendi-Wagner wird ab sofort also kaum noch vom Impfen reden können: Wenn sie es tut, wird man sie auf Doskozil ansprechen, womit sie gleich auch schon in die Defensive zurückgedrängt ist. Und wenn sie ein anderes, dringliches Thema, wie Moria in den Mund nimmt, wird man ihr vorhalten, dass Genosse Doskozil gerade wieder die Aufnahme von einzelnen Flüchtlingen dezidiert abgelehnt hat (eine solcher Akt wäre seinen Angaben zufolge nur „scheinheilig“).
Man könnte es auch so formulieren: So lange Rendi-Wagner Doskozil hat, kann sie keine Linie entwickeln, die Regierung nicht effektiv kritisieren, keine Alternativen propagieren etc. So lange neutralisiert sich die SPÖ bundespolitisch selbst, macht sie sich – im besten Fall – harmlos.
Man sollte jedoch nicht nur Doskozil im Auge haben. Da ist mehr: Österreich ist im internationalen Vergleich in der Pandemie nicht nur in gesundheitlich, sondern auch in wirtschaftlichen Belangen abgestürzt. Im Land fällt es jedoch kaum auf. Unter anderem eben, weil auch die SPÖ nicht in der Lage ist, das für eine Masse sichtbar zu machen. Außerdem: Hier bahnen sich gesellschaftliche Umbrüche an. Frauen sind eher wieder (allein) auf Küche und Kinderbetreuung zurückgeworfen. Staatsausgaben steigen, Staatseinnahmen sinken und damit steht der Wohlfahrtsstaat auf der Kippe: Wo sind sozialdemokratische Antworten darauf? Wo sind die Ansagen, an denen sich die einen festhalten und die anderen zumindest reiben könnten? Da ist nichts, können nicht einmal Ansätze ausgemacht werden.
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