Köstingers Unverschämtheit

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ANALYSE. Der Versuch, die Verantwortung für Überflutungen an eine NGO abzuschieben, entspricht einem gängigen Muster: Schuld sind immer andere. Und letztlich wird’s bürgerfeindlich.

Wenn der Salzburger Naturschutzbund mit seinem Einspruch gegen eine Hochwasserschutzverbauung in Hallein nicht gewesen wäre, wäre das 2016 gestartete Genehmigungsverfahren abgeschlossen, das Bauwerk womöglich errichtet und am vergangenen Wochenende nichts passiert. So geht die Erzählung, die Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) österreichweit verbreitet hat. Abgesehen davon, dass die Ereignisse wesentlich vielschichtiger gewesen sein dürften, lässt das tief blicken: Wieder einmal schiebt ein Regierungsmitglied vorsorglich jede Verantwortung ab; und wieder einmal wird es letzten Endes bürgerfeindlich.

Abgesehen davon, dass sich Winfried Herbst vom Salzburger Naturschutzbund zumindest in einem ZIB2-Bericht nicht grundsätzlich gegen einen Hochwasserschutz im konkreten Fall ausspricht, sondern meint, „man bräuchte nicht den Bulldozer in Form einer 124 Meter langen Staumauer, sondern das Skalpell“, stellen schier endlose Genehmigungsverfahren natürlich ein Problem dar.

Aber: Die Erfahrung lehrt, dass das eher nicht kritischen Bürgerinnen und Bürgern, Initiativen oder Organisationen anzulasten ist. Beispiel: Wie hier näher ausgeführt, hat sich Sebastian Kurz (ÖVP) in einem ersten Nationalratswahlkampf darüber empört, dass das Verfahren für die dritte Piste auf dem Wiener Flughafen schon 17 Jahre dauere. Also müsse eine Obergrenze her.

Was er dabei unterschlagen hat, ist, dass das Umweltverträglichkeitsverfahren selbst bei weitem nicht so lange gedauert hat. Zunächst nahm sich der Flughafen selbst löblicherweise fünf Jahre für eine Mediation mit Anrainern. Dann reichte er im März 2007 den Antrag ein. Von der Behörde wurden umgehend Unzulänglichkeiten festgestellt. Diese wurden jedoch erst bis September 2011 (!) behoben. Dann ging es relativ schnell: Am 10. Juli 2012 erfolgte die Genehmigung der dritten Piste durch die UVP-Behörde.

Weitere Verzögerungen ergaben sich aus Rechtsmittelverfahren bei Bundesverwaltungsgericht, Verfassungsgerichtshof und wieder dem Bundesverwaltungsgericht; dieses entschied im März 2018 auf endgültige Genehmigung. Ist es jedoch Schuld kleiner Leute, dass dieser Instanzenzug so viel Zeit in Anspruch genommen hat? Nein.

Zur Verkürzung von Genehmigungsverfahren gibt es mehrere Möglichkeiten. Köstinger wählt die größte Frechheit in diesem Zusammenhang: Sie diskreditiert eine Organisation, die rechtliche Möglichkeiten ganz selbstverständlich in Anspruch genommen hat. Ebenfalls problematisch ist der Weg, den ÖVP und FPÖ vor drei Jahren mit einer Maximaldauer für Verfahren eingeschlagen haben. Die Vorarlberger Landesregierung wies damals darauf hin, dass man es Projektbetrieben unter Umständen sehr einfach machen würde – „durch Verzögerung der Verbesserung seiner Unterlagen (könnte er) den Fristablauf abwarten und die automatische Genehmigung erwirken“. Leidtragende: Bürgerinnen und Bürger bzw. NGOs.

Auch bei ganz anderen Verfahren gibt es Missstände. Bei Asyl- und Abschiebeverfahren etwa, die in die Verantwortung von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) fallen. Auch er versteht es, davon abzulenken. Schuld sind immer Antragsteller, die Entscheidungen etwa ganz selbstverständlich anfechten.

Man könnte glauben, diese Erzählung werde liebend gerne gepflegt, weil sie Vorbehalte verstärkt und von allfälligen Missständen ablenkt – wie sie durch Asylgesetze gegeben sind, die nach unzähligen Novellen bzw. sogenannten Verschärfungen ungefähr so unbrauchbar geworden sind wie hundert Mal geflickte Hemden; die es ohnehin überforderten Behörden allzu oft schwer bis unmöglich machen, schnell und „wasserdicht“ zu entscheiden, was umgekehrt wiederum nicht nur eine Einladung, sondern geradezu eine Aufforderung für Betroffene ist, allenfalls in die nächste Instanz zu gehen. Und so weiter und so fort.

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