Große Krise, vertane Chance

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ANALYSE. Schlimmer noch als die AUA-Rettung ist aus ökologischer Sicht der Spritpreis-Absturz. Umso bemerkenswerter, dass Kogler und Co. nicht drauf reagieren.

Die Gelegenheit für eine Ökologisierung wäre gut. Energie sei so günstig geworden, dass nicht nur die Subventionen für fossile Brennstoffe gekürzt werden könnten, sondern auch eine CO2-Besteuerung möglich wäre. Wobei man nebenbei eine ganz andere Herausforderung angehen könnte: Die Einnahmen aus dieser Steuer könnten dazu beitragen, angeschlagene Staatsfinanzen zu sanieren.

Klingt grün, oder? Bezeichnenderweise kommen diese Sätze nicht von den Grünen, sondern von der Chefredakteurin des britischen „Economist“; Zanny Minton Beddoes hat sie Ende Mai geschrieben.

Der Ansatz macht deutlich, worum es gehen könnte, wenn man die große Krise als Chance begreifen würde: Die Tür für eine richtungsweisende Ökologisierung würde möglicherweise sperrangelweit offenstehen. „Möglicherweise“, weil vieles einfacher klingen, als es in Wirklichkeit ist.

Doch muss man sich von vornherein mit Winzigkeiten begnügen? Das ist das Drama der österreichischen Grünen von Vizekanzler Werner Kogler: Sie haben sich im Regierungsprogramm auf vage Maßnahmen zum Klimaschutz reduzieren lassen. Und sie lassen nun die Gelegenheit verstreichen, darauf hinzuweisen, dass viel mehr gehen könnte.

Die AUA-Rettung ist ein extrem schlechtes Beispiel dafür: Das Unternehmen muss gemeinsam mit seiner Konzernmutter Lufthansa heute den Betrieb wieder aufnehmen; und es ist dabei so angeschlagen, dass es nicht weiter belastet werden darf, um nicht ganz hoffnungslos zu bleiben und morgen zu kollabieren. Da sind offenbar wirklich nur ein paar Pseudo-Akzente möglich: Verbot von Kürzeststrecken sowie ein Mindestticketpreis von 40 Euro, der ohnehin niemandem weh tut, weil es bei denen, die jeden Cent zwei Mal umdrehen müssen, in aller Regel ja um den Urlaub geht; da gönnt man sich ein bisschen mehr.

Wirklich bemerkenswert ist, dass die Klimakrise dieser Tag an den Tankstellen verschärft wird und kein Grüner und auch keine Grüne darauf reagiert: Der Spritpreis hat eine Bewegung hinter sich, die man fast schon als freien Fall bezeichnen könnte. 55 Liter Benzin, eine kleine Tankfüllung also, haben vor einem Jahr 71,78 Euro gekostet. Heute handelt es sich um fast ein Viertel weniger, 55,61 Euro nämlich. Ähnlich ist es beim – dank gleichnamigem Privileg – etwas günstigeren Diesel.

Das ist eine Einladung, unbegrenzt Auto zu fahren und ein 1-2-3-Ticket zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel oder einen Pop-up-Radweg nicht einmal zu ignorieren. Wobei das Beste für die Konsumenten ist, dass Eurosuper aktuell um 19,9 Cent pro Liter und Diesel um knapp halb so viel günstiger ist als im EU-Schnitt, wie das Landwirtschaftsministerium berichtet, das den Spritpreismonitor neuerdings führt.

Ja, es steht nicht im Regierungsprogramm, die Coronakrise mit all ihren Folgen ist darin aber auch nicht enthalten. Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat es bisher nicht einmal gewagt, die Abschaffung des Dieselprivilegs zu fordern. Mögliches Kalkül: Das muss Verhandlungsmasse bleiben, darf man sich nicht schon im Vorfeld abschießen lassen.

Andererseits könnten Sebastian Kurz und seine türkise Riege ein Vorbild sein in taktischer Hinsicht: Wenn sie etwas wollen, machen sie in der Öffentlichkeit ganz schön Stimmung, verlangen hinter der Kulissen 200 Prozent, um sich letzten Endes für 100 Prozent feiern zu lassen und dem Verhandlungspartner (den Grünen also) das berauschende Gefühl zu gönnen, sehr viel erreicht bzw. verhindert zu haben.

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