Geschlossene Gesellschaft

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ANALYSE. Unser Leben wird sich nachhaltig verändern. Freiheit und Privatsphäre waren gestern.

„Epidemiologen empfehlen monatelange Einschränkungen des öffentlichen Lebens“, schreibt der „Spiegel“: Nach ein paar Wochen De-facto-Ausgangssperre werde die COVID-19-Epidemie nicht überstanden sein. Im Gegenteil: „Wir werden unsere Kontakte über lange Zeit reduzieren müssen.“ Bis ein Impfstoff verfügbar ist. Und das soll mindestens ein Jahr dauern.

Das sind keine schönen Aussichten. Am ersten Tag war das Leben in den eigenen vier Wänden spannend, am zweiten langweilig – und am dritten konnten viele Wienerinnen und Wiener schon gar nicht mehr anders, als einem APA-Bericht zufolge in so großen Massen ins Grüne zu strömen, dass es da und dort unmöglich war, auf Distanz zu bleiben.

Was lernen wir aus Absatz eins und Absatz zwei dieses Artikels? Wir werden irgendeine Kompromisslösung finden müssen, und sie wird unser Leben nachhaltig verändern. COVID-19 wird so einprägsam sein, dass das Virus nicht einmal dann vergessen ist, wenn es besiegt ist; es dürfte eher dazu führen, dass für den Fall eines Nachfolgevirus einige Notmaßnahmen bleiben werden, die sich gerade einbürgern.

Doch eines nach dem anderen: Wer dieser Tage verantwortungsbewusst lebt, meidet persönliche Kontakte. Lebensgefährte, Nachwuchs, das war’s. Freizeitaktivitäten werden eher nur allein gesetzt. Teamsportarten sind out. Und wenn man nun aber doch noch jemanden trifft, mit dem man nicht zusammenlebt, dann überlegt man sich das gut und schreitet zur Kontrolle: Wie viele Kontakte hast Du, mit wem etc.?

Das wird institutionalisiert: Die österreichische Bundesregierung setzt bei der Bekämpfung des Coronavirus bereits auf die Bewegungsprofile eines Mobilfunkbetreibers. Sie tut es, um zu kontrollieren, dass sich die Bürgerinnen und Bürger an die Ausgangsbeschränkungen halten. Tun sie es nicht, gibt’s demnächst eine Ermahnung oder gleich eine Ausgangsperre.

Freiheit und Privatsphäre sind Geschichte. Und zwar nachhaltig in der Form, wie wir sie kennen: So lange COVID-19 existiert, wird man sich irgendwann einmal nur dann in der Außenwelt bewegen können, wenn man sich regelmäßig testen lässt. Zur Sicherheit wird man im Übrigen nachweisen müssen, in keiner Risikoregion gewesen zu sein. Grenzkontrollen bleiben im Übrigen aufrecht.

Dagegen zu argumentieren oder sich gar zu verweigern, ist schwer bis unmöglich: In ein, zwei Monaten muss in Schulen wieder unterrichtet und in den meisten Betrieben wieder gearbeitet werden. Irgendwann müssen wir wieder raus, sonst geht sich das hinten und vorne nicht aus. Und rein darf man da und dort eben nur, wenn man alles offenlegt. Das ist die Voraussetzung für einen Job oder einen Urlaub in der obersteirischen Ramsau, die sich jetzt schon auf eigene Faust abriegeln wollte.

Wenn COVID-19 besiegt ist, wird das Distanzhalten und sich gegenseitig Überprüfen bleiben. Sicher ist sicher. Nur so lässt sich ein COVID-21 oder was auch immer von vornherein vermeiden oder allenfalls wirkungsvoll bekämpfen. Weil das, was wir jetzt erleben, wollen wir kein zweites Mal erdulden. Was heißt wollen? Wir können es uns nicht noch einmal leisten.

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