ANALYSE. Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler will den Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft erschweren. Wäre das vernünftig? Es gibt kaum wahrgenommene Argumente dagegen.
In einem Jahr wird in der Steiermark und Vorarlberg gewählt und die ÖVP, die da wie dort den Landeshauptmann stellt, spürt’s: Asyl, Migration und Integration sind dabei, wieder zu bestimmenden Themen zu werden. In Deutschland und in der Schweiz ist es bei den jüngsten Urnengängen bereits der Fall gewesen; das haben Befragungen ebenso bestätigt wie die Wahlergebnisse. Insofern ist es kein Zufall, dass die Partei in den beiden österreichischen Bundesländern fast zeitgleich darauf reagiert hat. In Vorarlberg kündigte sie einen Kodex an, den Asylwerber unterzeichnen sollen. Im Übrigen sollen sich diese Leute zu gemeinnützigen Tätigkeiten bei Vereinen und in Gemeinden verpflichten.
Aus der Steiermark kommt wiederum der Ruf von LH Christopher Drexler, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu erschweren. Er zeigt sich alarmiert darüber, dass zunehmend Menschen aus Syrien, der Türkei und Afghanistan Österreicher:in werden wollten. Man müsse wachsam sein, so Drexler: „Es ist für mich nicht akzeptabel, wenn wir insgesamt Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Homophobie importieren.“
Drexler stellt die Staatsbürgerschaftsverleihung nach sechs Jahren infrage. Das ist eine verkürzte Frist. Sie kann etwa beim Nachweis von Deutschkenntnissen („B2“-Niveau) sowie nachhaltiger persönlicher Integration angewendet werden. Insofern hätte man hier ja sogar einen Hebel, zu gewährleisten, was eine Einbürgerung sein könnte: Integrationsbeschleunigung.
Österreichische Politik tendiert dazu, die Staatsbürgerschaft als „hohes Gut“ schwerer zugänglich zu machen als andere europäische Staaten und zu betonen, dass es sich um einen letzten Schritt einer geglückten Integration handle. Ob das klug ist? Genau damit hält man Asylberechtigte und Migranten davon ab, sich einbürgern zu lassen. Sie pfeifen unter den gegebenen Umständen darauf. Im schlimmsten Fall werden sie dadurch auch nie wirklich Teil dessen, was man als Gesellschaft bezeichnet.
Gerade wenn man nun riesigen Integrationsbedarf sieht, könnte man sich damit auseinandersetzen, was mit gezielter Einbürgerungspolitik erreichbar wäre. Bemerkenswert: Die Akademie der Wissenschaften hat vor zwei Jahren Geldgeber für eine Studie zum Thema gesucht. Angefragte Bundesländer haben abgewunken, einzig Wien blieb übrig. Das Interesse daran scheint also begrenzt zu sein.
In der Studie wird auf „eine Reihe“ von internationalen Untersuchungen verwiesen, die zu folgendem Schluss gekommen seien: „Einbürgerung korreliert mit höherem Einkommen, weniger Arbeitslosigkeit, besseren Wohnverhältnissen und Bildungskarrieren der Kinder nach dem Erwerb der Staatsbürgerschaft. Dieser Zusammenhang beruht nicht nur darauf, dass Menschen mit besseren Integrationsvoraussetzungen auch häufiger Einbürgerungsanträge stellen – in einer Schweizer Studie wurde auch eine kausale Wirkung der Einbürgerung auf soziale Integration nachgewiesen (Hainmueller/Hangartner 2017).“ Der Erhalt der Schweizer Staatsbürgerschaft hat die langfristige Integration demnach „signifikant verbessert“.
Umgekehrt gelte: „Ist Einbürgerung sehr schwierig, und können die Voraussetzungen erst viele Jahre nach der Einwanderung erfüllt werden, dann verpufft der Integrationseffekt. Einen zusätzlichen Anschub für die Integration liefert Einbürgerung dann, wenn sie eine realistische Perspektive innerhalb von 4 bis 6 Jahren Aufenthalt darstellt. Die Erklärung dafür könnte sein, dass die Aussicht auf die Staatsbürgerschaft die Motivation für Niederlassung und daher auch individuelle Integrationspläne verstärkt (Peters et al. 2018).“
Die Autor:innen gehen auch auf die Befürchtung ein, dass ethnische Konflikte oder von autoritären Regierungen in den Herkunftsländern propagierte Wertvorstellungen in die österreichische Politik getragen werden könnten. Dabei verweisen sie unter anderem auf den hohen Anteil türkischer Wäher:innen hierzulande, die wiederholt für Recep Tayyip Erdoğan gestimmt haben (20190 und 2023 jeweils mehr als 70 Prozent). Das ist ihres Erachtens aber noch kein Argument für eine restriktive Einbürgerungspolitik. Im Gegenteil, der langjährige Ausschluss der Migrant:innen von politischer Partizipation erschwere die Verteidigung demokratischer Werte und des Rechtsstaates: „Er erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass autoritäre Regimes in Herkunftsstaaten, wie jenes von Erdoğan in der Türkei, erfolgreich als „Schutzmacht“ für eine ausgegrenzte Diaspora auftreten können.“