ANALYSE. Es liegt an Magnus Brunner, ob es bald ein großes Sparpaket und/oder ebensolche Steuererhöhungen geben wird. Schwarzen und roten Landeshauptleuten wär’s offenbar egal.
Wenn’s um Geld geht, gilt Freund, Feind, Parteikollege: Finanzminister Magnus Brunner habe Ländern und Gemeinden eine „Mogelpackung aufgetischt“, schäumte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner jüngst in den VN. Dazu muss man wissen: Beide stehen einander nicht nur nahe, weil sie Vorarlberger sind. Es handelt sich auch um ÖVP-Mitglieder, ja mehr: Eine Zeit lang wurde ihnen nachgesagt, ein Vertrauensverhältnis zu pflegen, im vergangenen Jahr wurde Brunner – nicht von Wallner zwar, aber doch – gar als zukünftiger Landeshauptmann gehandelt.
Neu sind solche Brüche nicht: Im Zweifelsfall hat Parteizugehörigkeit für Ländervertreter immer Nachrang. Ob bei schwarzen oder roten (Stichwort Doskozil). Und so sitzt Brunner nun auch bei den Finanzausgleichsverhandlungen unter anderem sechs schwarzen und drei roten Landeshauptleuten gegenüber. Das sind seine Gegner.
Wobei es sich um eine Auseinandersetzung mit weitreichenden Folgen handelt, und Steuerzahler:innen eher Brunner die Daumen drücken sollten – ob sie ihn schätzen oder nicht. Es geht darum: Länder und Gemeinden wollen dauerhaft viel mehr Geld. Sie behaupten, dass sie bei Gesundheit und Pflege mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert seien. Was korrekt ist. Bloß: Was soll der Bund sagen? Er ist insbesondere für Pensionen zuständig.
Wenn Brunner nachgibt, läuft das Budget aus dem Ruder. Seit sich der damalige Finanzminister Wilhelm Molterer (ÖVP) im Jahr 2007 darauf eingelassen hat, überweist der Bund automatisch ein Drittel seiner Steuereinnahmen an Länder und Gemeinden. Heuer wird die Summe 33,1 Milliarden Euro ausmachen. Das ist jedoch nicht alles. In Summe handelt es sich um fast 50 Milliarden Euro, kommen doch noch 14,7 Milliarden Euro dazu. Dabei handelt es sich um Zweckzuschüsse (zum Beispiel zur Krankenanstaltenfinanzierung), Finanzzuweisungen (zum Beispiel für Gesundheit und Pflege) sowie um Kostenübernahmen und -abwälzungen. Sie fallen am meisten ins Gewicht, weil auch die 7,7 Milliarden Euro dazugehören, die der Bund den Ländern zahlt, damit sie die Landeslehrer:innen zahlen können.
Bemerkenswert: Die Gesamtsumme, die an Länder und Gemeinden geht, nimmt auch gemessen am BIP schon heute tendenziell zu. 2010 belief sie sich auf neun Prozent, heuer wird sie voraussichtlich zehn Prozent ausmachen.
Selbst heben die Länder so gut wie keine Steuern ein und sie überweisen auch dem Bund fast nichts. Doch das ist eine andere Geschichte. Schlimmer ist, dass Reformen, wie sie etwa vom Fiskalrat (ehemals Staatsschuldenausschuss) regelmäßig eingemahnt werden, ausbleiben: Sie reichen von einer sauberen Aufgabentrennung bis hin zu einer nennenswerten Steuerautonomie für die Länder.
Zugespitzt formuliert fordern die Länder vom Bund auch jetzt einfach wieder nur mehr Geld. So wollen sie künftig gemeinsam mit den Gemeinden in Summe nicht ein Drittel der Steuereinnahmen, die dieser verzeichnet, sondern rund 40 Prozent. Ihre Chancen, sich damit durchzusetzen, sind nicht schlecht: Brunner ist Vertreter einer nach Sebastian Kurz massiv geschwächten Bundes-ÖVP.
Er hat nun ein Gegenangebot gemacht, wonach es für Gesundheit und Pflege für fünf Jahre je zwei Milliarden Euro geben soll. Das wäre eine fixe Zahlung, die befristet ist. Die Länder weisen dies – als „Mogelpackung“ eben – empört zurück. Sie wollen mit einem höheren, fixen Prozentsatz dauerhaft an den Steuereinnahmen teilhaben.
Das würde jedoch auf drei Szenarien hinauslaufen, die allesamt vor dem Hintergrund stehen, dass dann dem Bund viel zu wenig bleibt. Es würde immerhin um einen mittleren, einstelligen Milliardenbetrag gehen, der ihm über das hinaus fehlen würde, was sich ohnehin schon abzeichnet. Szenario A: Es kommt zu einem Sparpaket bzw. Kürzungen nicht zuletzt auch bei den Pensionen (weil sie mit Abstand und mit steigender Tendenz am stärksten ins Gewicht fallen). Szenario B: Es kommt zu Steuererhöhungen. Szenario C: Es kommt zu einer Kombination aus den Szenarien A und B.
Es mag den Eindruck erwecken, dass hier noch eine andere Option fehlt: Reformen. Natürlich: Immer wichtig. Aber: Der neue Finanzausgleich wird voraussichtlich mit 1. Jänner 2024 in Kraft treten. Und Brunner wird dann vom ersten Tag an sehr viel Geld brauchen, zu dem er ohnehin nicht kommen wird. Weil zuerst gewählt wird und in Krisenzeiten erst recht keine Partei, die sowieso keine Bereitschaft zu Pensionsreformen und dergleichen zeigt, derlei angehen wird. Vor allem aber wirken Reformen erst nach und nach. Sie bringen kurzfristig zu wenig (was nicht heißt, dass man sie immer weiter aufschieben sollte).