ANALYSE. Umweltministerin Gewessler und die Grünen wissen jetzt, dass mit der ÖVP keine Ökologisierung des Steuersystems zu machen ist. Das könnte extrem teuer werden – für alle.
Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist nach bald eineinhalb Jahren in der Bundespolitik angekommen: „So macht man das, wenn man es verhindern will“, weiß sie – gewissermaßen als Opfer. Konkret: Ausgerechnet am vergangenen Sonntag berichtete der „Kronen Zeitung“, dass im Rahmen einer ökologischen Steuerreform ein Automatismus kommen soll; wenn Klimaziele verfehlt werden, solle „mitunter eine gleich 50-prozentige (!) Erhöhung der Mineralölsteuer und Erdgasabgabe“ kommen. Ja: „Dies beträfe Millionen Österreicher.“ Beim Diesel würde es um rund 20 Cent pro Liter gehen. Und: „Realistischerweise droht dies erstmals 2024.“
Ebenfalls am vergangenen Sonntag saß Gewessler nach Elf in der ORF-Pressestunde. Da durfte sie eben die Einschätzung teilen, dass das von jemandem an die Öffentlichkeit gespielt worden sei, der das Vorhaben kippen möchte. Wer das sei, wollte oder konnte sie nicht sagen. Im ORF.AT-Bericht dazu ist ein mutmaßlicher Hinweis enthalten: „Das (betreffende) Gesetz wird regierungsintern vor allem mit dem für Budget- und Steuerangelegenheiten zuständigen, ÖVP-geführten Finanzministerium ausverhandelt.“
Schon vor der Coronakrise hatte man davon ausgehen können, dass unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kaum eine echte Ökologisierung des Steuersystems zustandekommen kann. Neben Entlastungen würde ein solche Belastungen vorsehen, damit es einen Lenkungseffekt gibt. Das ist einfacher gesagt als getan, ist aber so. Unpopuläre Maßnahmen für „Millionen Österreicher“ würden sich kaum vermeiden lassen.
Durch die Corona-Krise ist die Bereitschaft der grundsätzlich eher auf Populäres ausgerichteten Türkisen zu solchen Maßnahmen deutlich geringer geworden. Diese Erfahrung haben die Grünen bereits vor wenigen Monaten machen müssen, als sie zwar eine kleine NoVA-Erhöhung durchsetzen konnten, der ÖVP-Wirtschaftsbund aber umgehend von einem „Angriff auf heimische KMUs“ sprach: „Mit diesen Plänen crashen die Grünen die wirtschaftliche Erholung nach der Krise“, so Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger damals in einer Aussendung.
Heute sind die Aussichten für die Grünen, etwas durchzubringen, noch schlechter: Sebastian Kurz steckt selbst in einem Popularitätstief. Im Wirtschaftsmagazin „trend“ lässt Kolumnist Josef Votzi erahnen, wie sehr sein Agieren in der Coronakrise in Verbindung damit zu sehen ist, dass es ihm darum geht, vieles wettzumachen: „Wenn wir da jetzt gut durchsegeln (in Folge der Öffnungen ab 19. Mai; Anm.) ist im Herbst vieles vergessen, von den Pannen beim Impfen bis zu den Chats“, zitiert Votzi einen Kurz-Vertrauten.
Dass sich der Kanzler und ÖVP-Chef unter diesen Umständen in absehbarer Zeit auf eine Mineralölsteuer-Erhöhung einlässt, ist unwahrscheinlich; er würde einen erfolgreichen Segelflug riskieren. Eher kommt es zu einer österreichischen Lösung, die die Steuerzahler noch teuer zu stehen kommt, aber halt nicht so direkt zu spüren ist: Klimaschädliche Maßnahmen wie das Dieselprivileg bleiben. Jedem Euro, den diese indirekte Förderung kostet, werden jedoch zwei Euro für direkte Förderungen, die klimafreundlich sind, entgegengestellt. Ergebnis: Diesel-Fahrer werden nicht bestraft, andere werden stärker belohnt – um den Preis halt, dass das Ganze dreimal teurer wird als notwendig.
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