ANALYSE. Die Budgetlage, die die ÖVP zu verantworten hat, ist ein Grund für die Partei, doch mit Kickl zu koalieren. Sonst kann sie Dinge, die sie gar nicht will, schwerer denn je verhindern.
Die Budgetlage ist nicht gut, wie das Finanzministerium von Magnus Brunner (ÖVP) wenige Tage nach der Nationalratswahl eingestanden hat. Das jährliche Defizit klettert auf mehr als drei Prozent bzw. Richtung vier Prozent, also gut 20 Milliarden Euro. Die nächste Regierung wird nicht nur nichts zu verteilen haben, sondern konsolidieren müssen. Eine weitere Katastrophe für die Volkspartei. Ja, isoliert betrachte ein gewichtiger Grund für sie, sich vielleicht doch auf eine Zusammenarbeit mit der FPÖ einzulassen, Herbert Kickl inklusive.
Das wird deutlich, wenn man von einer „Großen Koalition“ mit Neos oder Grünen ausgeht. Die Ausgangslage: Die SPÖ will, wie ihr Vorsitzender Andreas Babler im Wahlkampf betont hat, gar kein Sparpaket, aber einnahmenseitige Maßnahmen wie eine Erbschafts- und eine Vermögenssteuer. Die ÖVP will laut Karl Nehammer weder das eine noch das andere. Kürzen mag sie nach dem Vorbild der FPÖ eher nur bei Ausländern. Das ist jedoch Symbolpolitik, bringt Millionen, nicht Milliarden.
Schwierig außerdem: Beim größten Brocken, der sich auch aufgrund seiner Dynamik anbietet, wollen, ja können ÖVP und SPÖ nichts tun. Das sind Pensionen. Auf die Schnelle einiges bringen würde eine Nullrunde. Kickl hätte eine Freude, die beiden Parteien im Übrigen ein Problem mit einem Gutteil ihrer Wählerinnen und Wähler: Bei ab 60-Jährigen halten sie zusammen noch immer über 60 Prozent. Wenn sie die verlieren, können sie zusperren. Politisch nicht umsetzbar wären auch höhere Steuern auf Sprit, wie sie vom WIFO empfohlen werden.
All dies könnte zumindest ansatzweise nur in einem Gesamtpaket klappen. Ungefähr so: Es wird bei Politikern gespart, aber auch bei höheren Pensionen. Es wird die Mineralölsteuer angehoben, aber auch das Pendlerpauschale. Das alles wäre für niemanden befriedigend und auch nur begrenzt vernünftig, man muss aber immer auch die politische Umsetzbarkeit im Auge haben; die Umsetzbarkeit, bei der zwei nicht mehr große Parteien in der Krise eine Rolle spielen, die kaum einer Protestbewegung standhalten könnten, die Kickl organisiert.
Vielleicht beginnt bei der ÖVP an dieser Stelle zu sickern, welche Probleme sie sich und dem Land hier eigehandelt hat mit ihrer Budgetpolitik. Es kommt nämlich noch schlimmer für sie: Der Druck, Steuern zu erhöhen, ist enorm, weil sich das Ganze anders einfach nicht ausgehen kann bei nur kleinen Einschnitten da und dort.
Für Steuererhöhungen nicht infrage kommen die Massensteuern, also die Lohn- und die Umsatzsteuer, die zusammen zwei Drittel des gesamten Steueraufkommens ausmachen. Nicht in infrage kommen außerdem Steuern, die einer Konjunkturbelebung im Weg stehen. Infrage kommt vielleicht eine MöSt-Erhöhung bei erwähntem Ausgleich, da geht’s unterm Strich dann aber auch nur um Millionen.
Zum Wenigen, was bleibt und ohne größeren Aufwand umsetzbar wäre, gehört eine Wiedereinführung der Erbschaftssteuer mit weitreichenden Befreiungen und Ausnahmen bei Betriebsübergaben etwa. Ein Albtraum für die ÖVP. Hat sie jedoch Vorschläge, wie man es anders machen könnte? Im Österreich-Plan von Karl Nehammer sind keine enthalten. Er geht ja von einem Wirtschaftsboom aus, der nicht in Sicht ist. Umso schwerer tut er sich nun, der Forderung der SPÖ nach einer Erbschaftssteuer entgegenzutreten – wenn die Partei schon helfen muss, das Budget zu sanieren, das er und seinesgleichen zu verantworten haben.