ANALYSE. Kogler verabschiedet sich von einer Erbschaftssteuer. Dabei hätte er sie als Druckmittel gebraucht, um wenigstens ein bisschen Ökologisierung durchzusetzen.
Jede Krise soll eine Chance sein, für Klimapolitik wird’s in Zeiten der Coronakrise jedoch eng: Schon erste Hilfsmaßnahmen werden nicht genützt, um Lenkungseffekte auszulösen. Mit weiteren wird’s schwierig – auch, weil Vizekanzler, Grünen-Chef Werner Kogler gerade ein Druckmittel aufgegeben hat.
Die ÖVP hat kein gesteigertes Interesse, wirkungsvolle Klimapolitik zu betrieben und etwa eine CO2-Besteuerung einzuführen. Da darf man sich nichts vormachen: Sebastian Kurz hat sich im Regierungsprogramm eher nur den Grünen zuliebe darauf eingelassen, darüber zu reden. Diesbezüglich fixiert worden ist nichts Konkretes. Im Zuge der Coronakrise wird’s nun freilich selbst für das Unverbindliche eng. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hat in einem VN-Interview erklärt, dass sich die Prioritäten ändern müssten.
Die größte Chance zu einer Ökologisierung hat man bereits verstreichen lassen: Das 38-Milliarden-Euro-Hilfspakt, dass die türkis-grüne Regierung aufgestellt hat, ist pragmatisch. Wobei man natürlich fair sein muss: Mehr ist in der ersten Not kaum möglich gewesen. Jetzt wird – zumindest von der Ansage her – einfach einmal allen geholfen, die es nötig haben; Ziel ist es, die wirtschaftlichen Verhältnisse zu erhalten, wie sie vorher waren, und nicht, sie zu verändern. Folglich wird der Busunternehmer genauso unterstützt wie ein Biobetrieb und der Hotelier, der alles andere als nachhaltigen Tourismus betreibt.
Wenn die Krise eine Chance sein soll, dann könnte sie das aber auch in einem zweiten Schritt werden. Dann nämlich, wenn es darum geht, Konjunkturimpulse zu setzen. Doch auch diesbezüglich schaut es schlecht aus für den Klimaschutz. Werner Kogler hat vor einigen Wochen eine Erbschaftssteuer bzw. einen „rigorosen Beitrag von Millionen- und Milliarden-Erben“ gefordert, um einen symbolischen Beitrag zur Krisenfinanzierung zusammenzubekommen. In einem ATV-Interview hat er sich jetzt aber insofern selbst davon distanziert, als er erklärte, dass sich diese Frage „erst in ein paar Jahren stellen“ werde.
Das ist ein Irrtum: Wenn es ein Zeitfenster dafür gibt, dann wohl jetzt. Zwar steht eine solche Steuer nicht im Regierungsprogramm, die Grünen hätten aber breite öffentliche Unterstützung dafür haben können.
In diesem Text geht es jedoch nicht um die Erbschaftssteuer an sich, sondern die unverzichtbare Funktion, die sie für die Grünen gehabt hätte: In Zeiten der Rezession werden es Kogler und Co. kaum schaffen, die ÖVP für konkrete (ebenfalls nicht im Regierungsprogramm fixierte) Schritte zu einer Ökologisierung des Steuersystems zu gewinnen. Ressourcenverbrauch verteuern? Jetzt, wo alle ohnehin schon um ihre Existenz kämpfen? Undenkbar. Nicht einmal die Abschaffung des Dieselprivilegs ist wahrscheinlich. Im Gegenteil, auch Frächter und Bauern klagen schon. Ja, ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger hat schon im Jänner, als wir quasi noch in Milch und Honig geschwommen sind, gesagt, dass das Dieselprivileg bleiben müsse.
Im Unterschied zu diesen Ökologisierungsschritten wäre eine Erbschaftssteuer ziemlich populär gewesen. Sprich: Es wäre realistisch gewesen, sie dafür zu nützen, Druck auf die ÖVP auszuüben. Wer aber nicht will, hat Pech gehabt.
Was kommen wird, sind eher nur grüne Akzente bei diversen Konjunkturprogrammen; teure Förderungen eben, die erstens viele Jobs erhalten oder schaffen – und die nebenbei auch im Sinne des Klimaschutzes sind.
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