ANALYSE. Freiheitliche fordern eine Rückabwicklung der europäischen Integration und sehen in der Struktur der Union einen „Gulag“. Dabei bleiben wollen sie trotzdem. Das macht jedoch nichts besser. Im Gegenteil.
Einem „Gulag“ gleiche die heutige Struktur der Europäischen Union, schrieb der Landessekretär der Freiheitlichen Jugend in Wien, Jan Staudigl, laut „Falter“ in einem rechtsextremen Magazin: „Genosse Stalin wäre stolz.“
Die Bundesparteispitze habe kein Problem damit, so der „Falter“ weiter: Staudigls Kommentar bilde laut einem Sprecher von FPÖ-Chef Herbert Kickl die persönliche Meinung des Autors ab, „zeichnet aber im Großen und Ganzen ein realistisches Bild der EU, wie sie sich aktuell präsentiert.“
Kickl selbst hat der EU am Wochenende wieder einmal „Kriegstreiberei“ vorgeworfen. In Bezug auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin, mit dessen Partei die FPÖ einst einen Freundschaftsvertag eingegangen ist, hat er das noch nie getan. Er zieht es vor, so zu tun, als sei Brüssel schuld an allem Übel, und zu verschweigen, dass selbst US-Geheimdienste davon ausgehen, dass Putin nicht nur die Ukraine erobern möchte, sondern weitere Teile Europas.
„Selbst“ steht hier, weil die USA unter Führung von Donald Trump neuerdings ja ebenfalls immer wieder sehr Putin-freundlich agieren und nebenbei ebenfalls die EU schwächen wollen – und dabei unter anderem auf Österreich setzen, wo die FPÖ in Umfragen einen so großen Stimmenanteil hält wie die beiden nachfolgenden Parteien (ÖVP, SPÖ) zusammen.
Es ist interessant, dass sich die FPÖ nicht klar für einen Austritt ausspricht. In ihrer Klientel würde das gut ankommen: Laut einer Eurobarometer-Erhebung vom Vorjahr finden 39 Prozent der Österreicher, aber 64 Prozent des Viertels derer, die sich politisch rechts positionieren, dass man außerhalb der EU besser aufgehoben wäre.
Also: Warum spielt Kickl nicht mit offenen Karten? Dagegen sprechen könnte dies: Erstens, mit der Forderung, die EU zu verlassen, würde er es der ÖVP schwerer machen, mit ihm zu koalieren. Zweitens: Die FPÖ ist mittlerweile so groß, dass für sie auch Wähler relevant sind, die politisch in der Mitte stehen. Und bei ihnen sagt nur eine Minderheit von 26 Prozent, dass man außerhalb der EU besser aufgehoben wäre, widersprechen ganze 68 Prozent. Mit ihnen würde es sich Kickl verscherzen.
Drittens: Kickl braucht die EU, um sich an ihr abzuarbeiten. Es ist Teil seines Geschäftsmodells. Sich an der EU abarbeiten kann er als Oppositionspolitiker, könnte er als Kanzler aber noch viel mehr. Siehe Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der das nützt, um sich im eigenen Land zu profilieren.
Für die EU, aber auch Österreich macht das alles nichts besser. Im Gegenteil. Wieder: Siehe Orban. Er blockiert vieles und könnte unter anderem mit Klickl noch viel mehr blockieren. Es wäre eine echte Schwächung der EU, die nicht möglich wäre, wenn sich das Land rausnehmen würde.
In Österreich wiederum träg das ständige EU-Bashing zur üblen Stimmung bei, die geradezu typisch ist: Es gibt kaum ein EU-Mitgliedsland, in dem so viele Menschen „Brüssel“ so negativ gegenüberstehen.
