ANALYSE. Doskozil und Türkise versuchen, die FPÖ in der Asylpolitik zu überbieten. Das ist erstens unmöglich, weil die FPÖ gar kein Asyl mehr will; zweitens wird hier auf Recht gepfiffen.
„Die“ SPÖ gibt es nicht mehr. Es gibt unter anderem die burgenländische unter Führung von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, die mit den Wienern von Michael Ludwig im Rathaus und Andreas Babler in der Löwelstraße nicht nur nichts mehr zu tun haben möchte, sondern eher sogar Wert darauf legt, sich zu unterscheiden. Insbesondere in der Asylpolitik. Doskozil will das Feld nicht der FPÖ überlassen und fordert daher eine Obergrenze von 10.000 Asylanträgen pro Jahr.
In einem ZIB 2-Interview wiederholte er vergangene Woche immer und immer wieder, dass Österreich Zielland Nummer eins sei in Europa. Keine Frage: Österreich ist ein Zielland. Gemessen an der Bevölkerung das größte ist jedoch Zypern, wenn man schlicht von den Anträgen ausgeht. Berücksichtigt man die Einstellungen, relativiert sich das noch mehr; sie sind hierzulande so zahlreich geworden, dass es nicht übertrieben ist, davon zu sprechen, dass Österreich auf dem Weg zu einem Transitland sei – im Unterschied zu Deutschland etwa.
Doch wer die Nummern eins, zwei oder drei sind, ist nicht so wichtig. Wichtiger ist die Frage: Kann man eine Obergrenze fixieren? Abgesehen davon, dass sie mit Nachbarn wie Ungarn schwer umsetzbar wäre, gibt es Experten wie den Europarechtler Walter Obwexer, der darauf hinweist, dass es nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich wäre; etwa, wen eine Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegen würde. Obwexer, wer? Doskozil tut ihn als Mann ab, der Gutachten liefert, wenn die ÖVP eins brauche – nicht ernst zu nehmen.
Der Wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages kommt jedoch zu ähnlichen Schlüssen. In einer Auseinandersetzung mit dem Thema deutet er an, dass man nicht einfach so mit Belastungsobergrenzen daherkommen könne, um ein Grundrecht (Asyl) faktisch auszusetzen. Wenn, dann könnten allenfalls etwa Sicherheitsinteressen übergeordnet werden. Aber was kümmert’s Doskozil.
Die ÖVP wiederum bemüht sich auf Initiative von Innenminister Gerhard Karner, Asylwerbern ein paar Euro Taschengeld zu streichen und ihnen nur noch Bezahlkarten auszuhändigen. Argument: Viele würden das Geld nur nehmen, um es Angehörigen in ihrer Heimat zu schicken. Ein Nachweis dafür bleiben Karner und Co. zwar schuldig, bei so wenig Geld wäre es aber ohnehin belanglos. Es geht ihnen schlicht um ein Signal: Nach unten treten. Leuten, die am wenigsten haben und die sich am wenigsten wehren können, noch etwas wegnehmen.
Beim Signal nimmt man es mit den Details nicht so genau. Ein Treppenwitz ist etwa, dass sich Türkise hier selbst ein Bein stellen. In Vorarlberg hat Landeshauptmann Markus Wallner gerade bekräftigt, dass in seinem Land ein „Kodex“ für Asylwerber kommen solle. Bei Nichteinhaltung werde „es zu einer Kürzung des Taschengeldes kommen“. – Sofern das nach Einführung von Bezahlkarten durch die eigene Partei noch geht.
Eine solche Karte wäre rechtlich möglich. Maßgebend ist die Europäische Aufnahmerichtlinie. Demnach sind Geld- oder Sachleistungen, ja auch Gutscheine denkbar. Der Punkt ist, dass diese Leistungen in Summe ein gewisses Niveau haben müssen. Konkret müssen sie „einen angemessenen Lebensstandard“ gewährleisten. Dieser Standard hat sich grundsätzlich daran zu orientieren, was für eigene Staatsangehörige angesetzt wird.
Sprich: Man Asylwerber nicht prinzipiell minder behandeln. Und: Man darf ihnen nicht Leistungen unter dieses Niveau kürzen, weil sie zum Beispiel irgendeinen Kodex nicht beachten. Es würde der Aufnahmerichtlinie widersprechen, die derlei nicht vorsieht.