Bundesregierung: Hilflos, weil fremdbestimmt

ANALYSE. Chaos in der Flüchtlingspolitik ist nicht Faymann, Mitterlehner und Co. anzulasten. Kabinettsmitglieder müssen sich jedoch davor hüten, es wahlkampfbedingt noch weiter zu verschärfen.

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ANALYSE. Chaos in der Flüchtlingspolitik ist nicht Faymann, Mitterlehner und Co. anzulasten. Kabinettsmitglieder müssen sich jedoch davor hüten, es wahlkampfbedingt noch weiter zu verschärfen.

Seit Sonntagnachmittag regiert in Österreich nicht mehr die Große Koalition, sondern die große Ohnmacht: Nachdem Deutschland mit (zumindest) missverständlichen Botschaften zunächst dafür gesorgt hatte, dass sich Zehntausende Flüchtlinge aus dem Nahen Osten auf den Weg nach Mitteleuropa machen, riegelte es nun die Grenzen ab. Oder doch nicht? Was da genau geplant war und dann gemacht wurde, konnten Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) auch zu Wochenbeginn nicht erklären. Sie wussten es nicht. Klar war nur, dass nun möglicherweise mehr Flüchtlinge in Österreich bleiben würden.

Es Deutschland einfach gleichzutun, war aus einem schlichten Grund schwierig: Ungarn schickt vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesverschärfung ganz offensichtlich noch schnell alle Flüchtlinge in Richtung Österreich. Unter diesen Umständen im Burgenland die Grenzen zu schließen oder auch nur lückenlose Kontrollen einzuführen, hieße, den Boden für eine humanitäre Katastrophe zu bereiten: Jenseits der Grenze müssten Frauen, Männer und Kinder tagelang und ohne jede Hilfe auf der grünen Wiese ausharren, bis sie überprüft werden. Bei Zehntausenden ist eine zügigere Behandlung jedenfalls undenkbar.

So gesehen sind die chaotischen Zustände nicht der österreichischen Bundesregierung anzulasten. Vor den erwähnten Hintergründen müssen sich ihre Mitglieder aber vor Aussagen hüten, die auf die Wahlkämpfe in Wien und Oberösterreich zurückzuführen sind und die nur zu einer Verschärfung der Lage beitragen: Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) etwa, der noch am Sonntagabend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ nach den eben so verhängnisvollen Grenzkontrollen rief. Oder Mitterlehner selbst, der auf einer Pressekonferenz am Montagvormittag gleich zwei Mal ein „Gerücht“ erwähnte, wonach auch Menschen aus Nationen, „die eigentlich einen sicheren Hintergrund haben“, die „Gunst der Stunde“ (also der offenen Grenzen) nützten, um nach Österreich zu kommen.

Das ist ein schwerwiegender Vorwurf. Umso vorsichtiger müsste Mitterlehner sein: Wenn es stimmt, was er unterstellt, dann wird niemand etwas gegen vertretbare Gegenmaßnahmen einzuwenden haben. Wenn das der Fall ist, warum aber spricht er dann von einem „Gerücht“? Das ist insofern brisant, als es Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten ist, die solche „Gerüchte“ gerne als Vorwand dafür verwenden, nach Grenzzäunen zu rufen.

Ähnlich, wie es ja auch das „Gerücht“ gibt, dass Flüchtlinge mit gefälschten syrischen Pässen versuchten, sich eine Aufnahme zu erschwindeln. Doch auch dafür gibt es keinen Beweis: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat erst vergangene Woche in einer Anfragebeantwortung keinen einzigen Fall erwähnen können, der das belegen würde.

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