ANALYSE. In den vergangenen Jahren ist es viel schwieriger geworden, nach Europa zu kommen. Ergebnis: UNHCR verzeichnet vergleichsweise wenige Ankünfte.
„2015 darf sich nicht wiederholen“, sagt CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet, erklärt SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, warnen ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und dessen Parteifreunde, Außenminister Alexander Schallenberg und Innenminister Karl Nehammer. Diesen treibt denn auch vor allem die Sorge um, Wanderungsbewegungen nach Europa zu verhindern. Beides ist jedoch eher Inszenierung: Zum einen wird Verunsicherung geschürt in weiten Teilen der Bevölkerung, zum anderen gibt dieselbe Politik vor, für Sicherheit zu sorgen. Sie versucht, die Nachfrage, die sie selbst geschaffen hat, ebenso zu befriedigen. Das kann, muss aber nicht funktionieren. Bei Kurz und Nehammer klappt’s.
Bemerkenswert ist, wie sehr Experteneinschätzungen und Daten bei alledem ignoriert werden: Die Wanderungsbewegungen nach Europa sind nach 2015 stark zurückgegangen und im Vergleich zu den damaligen Spitzenwerten auf einem niedrigen Niveau geblieben.
UNHCR führt gewissermaßen Live-Daten zu den Ankünften, die über See- und Landwege im gesamten Mittelmeerraum verzeichnet werden. Von Jänner bis Juli handelte es sich heuer um 52.000. Im vergangenen Jahr waren es 39.000, damals brachten Corona-Beschränkungen die Bewegungen jedoch vorübergehend zum Erliegen (im April gab es lediglich 1315 Ankünfte). 2019 waren es im Vergleichszeitraum ähnlich viele (49.000), davor deutlich mehr. 2018 beispielsweise 75.000 und 2015 überhaupt 233.000. Wobei: Allein im damaligen Oktober folgten damals noch einmal so viele (siehe Grafik).
Das ist das Ergebnis konkreter Maßnahmen: „Nachtsichtgeräte, Kameratürme, Drohnen und meterhohe Zäune: Griechenland setzt an der Landesgrenze zur Türkei auf moderne Ausrüstung, um illegale Migranten am Übertritt zu hindern“, berichtete der „Kurier“ etwa im Juni. Von Nehammer gab es immer wieder lobende Worte für diese Konsequenz.
Freilich: Aus Afghanistan könnten nun erst Massen abwandern. Aber: Vergleiche mit 2015 würden „nichts taugen“, erklärt der Migrationsexperte Gerald Knaus landauf, landab, offenbar jedoch mit überschaubarem Erfolg. Anders als Syrern vor sechs Jahren stehen Afghanen nun mehrere Hürden im Weg: Sofern sich Verängstigte nicht versteckt halten, sondern auf den Weg nach Europa machen wollen, müssen sie zunächst Posten und schließlich Landesgrenzen überwinden, die von Taliban kontrolliert werden. Im Iran wird eine Schutzzone errichtet, die dazu führen soll, dass die Leute nicht weiter ins Landesinnere kommen. Die Türkei wiederum hat eine Mauer gebaut und Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bekräftigt, „Ein- und Ausreise vollständig verhindern“ zu wollen.
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