Die Flüchtlingskrise des Jahres 2015 darf sich nicht wiederholen. Ein Politiker, der das sagt, kann auf sehr große Zustimmung setzen. Eh klar. Wünschen wird sich das hoffentlich niemand. Und die Aussage ist umso wirkungsvoller, als ein gewisses Bedrohungsszenario damit einhergeht. Also eignet es sich ganz grundsätzlich sehr gut für ein freiheitliches Ablenkungsmanöver in Folge der Geschichte mit den Identitären. Besonders auch zur Mobilisierung im Hinblick auf die EU-Wahl Ende Mai. Was dazu verleitet, festzustellen, dass der nunmehrige Brief nach Brüssel absehbar war, in dem Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wissen lässt, dass er nicht wie bei der „Massenmigration von 2015/2016 Däumchen drehen und warten (möchte), bis wieder zigtausende Migrationen an der Grenze stehen“.
Zugegeben: Kickl hat bei seiner Warnung vor einer neuen Flüchtlingskrise einen entscheidenden Vorteil: Ausschließen kann man nie, dass sich Hunderttausende auf den Weg nach Europa machen. Was man jedoch ausschließen kann, ist, dass schon wieder sehr viele auf dem Weg sind. Grund: Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Österreich kommen und Asyl beantragen, ist nach wie vor auf einem Mehrjahrestief. Auch Zurückweisungen (direkt an der Grenze) und Zurückschiebungen (von z.B. illegal Eingereisten) gibt es nur sehr, sehr wenige. Laut BMI-Statistik waren es im Jänner insgesamt einhundertfünfundzwanzig (125).
UNHCR hält die Bewegungen übers Mittelmeer nach Europa de facto live fest. Sie gehen weiter zurück.
Ganz zu schweigen davon: UNHCR hält die Bewegungen übers gesamte Mittelmeer nach Europa, also von Marokko bis zur Türkei, de facto live fest. Und dieser Website ist zu entnehmen, dass es heuer bis 9. April insgesamt 15.962 Ankünfte gab. Zum Vergleich: 2015 waren es eine Million. Seither wurden es immer weniger, 2018 waren es 141.472. Knapp neun Mal mehr als im ersten Viertel dieses Jahres also. Und auch wenn Gerüchte vor wenigen Tagen „Hunderte“ (Die Welt) oder „Tausende“ (Neue Zürcher Zeitung) von Griechenland in Richtung Nordmazedonien bewegt haben, weist so gesehen nichts auf ein zweites 2015 hin.
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Was aber eben bleibt, ist die Möglichkeit, dass sich das ändern könnte. Und der Umstand, dass dieses „Flüchtlingskrisenjahr“ noch immer bei so vielen Österreich extrem präsent ist. Tatsächlich beruft sich Kickl darauf, dass laut European Migrant Sumggling Centre „eine großangelegte Wanderbewegung von der Türkei nach Europa vorbereitet“ werde. Versuchen Sie, das zu widerlegen. Eben. Das macht Kickls Vorgangsweise möglicherweise auch im Frühjahr 2019 sehr wirkungsvoll.
Ein Verbot islamistischer Vereine steckt bereits in der Pipeline.
Und überhaupt: Für den Fall des Falles gibt es auch andere Möglichkeiten, von partei- und koalitionsinternen Problemen abzulenken. Die Tageszeitung „Österreich“ will etwa wissen, dass bereits ein Verbot islamistischer Vereine in der Pipeline steckt.
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