Der blamierte Kanzler

ANALYSE. Mit dem Koalitionspartner „nicht streiten“ ist das eine. Spätestens das rassistische FPÖ-Video zur E-Card ist Sebastian Kurz jedoch eine Warnung, dass man es damit auch übertreiben kann. 

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ANALYSE. Mit dem Koalitionspartner „nicht streiten“ ist das eine. Spätestens das rassistische FPÖ-Video zur E-Card ist Sebastian Kurz jedoch eine Warnung, dass man es damit auch übertreiben kann.

So etwas kann man nicht erfinden: Während Sebastian Kurz (ÖVP) im Kanzleramt einem „Gipfel“ zum Thema „Hass im Netz“ vorsitzt, verbreitet sein Koalitionspartner in diesem Netz ein rassistisches Video zur E-Card: Ein gewisser Ali mit einem Fes auf dem Kopf versucht die Karte zu missbrauchen; das jedoch gelingt ihm nicht – weil „Pech gehabt Ali. Es heißt nun: Sozialmissbrauch adé“.

Stärker könnte man den Gipfel nicht konterkarieren. Und zwar doppelt: Zum einem macht es deutlich, dass es ganz offensichtlich kein gemeinsames Koalitionsanliegen ist, „Hass im Netz“ zu bekämpfen; weil zum anderen ebensolcher von der FPÖ, also einem entscheidenden Teil, betrieben wird.

Größere Affäre macht Kurz jedoch nicht daraus. Selbstverständlich verurteilt er das Video, aber die FPÖ hat es ja schon aus dem Netz genommen und ihr Parteichef, Vizekanzler Heinz-Christian Strache hat betont, dass er auch keine Freude damit hatte. 

Die FPÖ reizt den Freiraum, der ihr unter diesen Umständen erwächst, maximal aus.

„Nicht streiten“, lautet die Devise, die die Koalition bisher durchaus erfolgreich praktiziert. Und zwar überaus diszipliniert. Viele Österreicher sind froh darüber, dass endlich einfach nur gemacht wird. Kurz könnte das jedoch zunehmend schaden, weil die FPÖ den Freiraum, der ihr unter diesen Umständen erwächst, maximal ausreizt und er selbst damit ein Autoritätsproblem bekommt.

„Hass im Netz“ mag er bekämpfen wollen, dem Koalitionspartner ist das jedoch schnurzegal. Europapolitik mag er gerade im EU-Vorsitzhalbjahr gemeinsam mit seinem Fachminister Gernot Blümel für sich beansprucht haben, der Koalitionspartner mischt jedoch entscheidend mit. Kurz nimmt das hin. Nicht einmal die Unflätigkeiten, die insbesondere FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky gegenüber Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ritt, indem er diesem ein veritables Alkoholproblem unterstellte, brachten ihn dazu, wahrnehmbar Leadership zu zeigen und zur Ordnung zu rufen.

Und so schleicht sich eben eine gewisse Praxis ein.

Und so schleicht sich eben eine gewisse Praxis ein: Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) gibt jede professionelle Distanz auf und lädt Russland Präsident Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit – Kurz muss so tun, als wäre das das Normalste der Welt. Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) will beim Heer einen Spion entdeckt haben, der den Darstellungen zufolge staatsgefährdender nicht sein könnte – Kurz verkündet das auch noch an Kunaseks Seite öffentlich.

Doch dann das: Dem Landesgericht Salzburg ist die Suppe nicht einmal dick genug, um den Antrag auf U-Haft für den pensionierten Oberst anzunehmen. Womit der Kanzler nur hoffen kann, dass zumindest die nächste Instanz das anders sieht; sonst hat er sich einmal mehr gehörig blamiert.

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