Neue, alte Volkspartei

ANALYSE. Für Sebastian Kurz brechen schwere Zeiten an: Mit der bedingungslosen Loyalität entscheidender Funktionäre ist es vorbei.

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ANALYSE. Für Sebastian Kurz brechen schwere Zeiten an: Mit der bedingungslosen Loyalität entscheidender Funktionäre ist es vorbei.

Sebastian Kurz kann extrem viel, zaubern kann aber auch er nicht. Anders ausgedrückt: Die ÖVP hat er sehr stark verändert, zu einem wesentlichen Teil aber ist sie ziemlich alt geblieben. „Na und?“, könnte man jetzt einwenden. Das jedoch wäre zu leichtfertig: Will der 31-Jährige echte Reformen durchführen, braucht er die Unterstützung fast aller aus seinen Reihen; und handle es sich um noch so vorgestrige Funktionäre.

Als Parteichef hat sich Kurz ausbedungen, zumindest die ÖVP-Bundesliste für die Wahl genauso nach seinem Geschmack zu erstellen, wie hinterher eine Regierung zu bilden. Doch das hat er jetzt ausgenützt, um nicht zu sagen aufgebraucht: Seine Vollmachten sind nur bedingt für die kommenden Wochen, Monate und Jahre nützlich.

Der Bauernbund jubelt, 16 der insgesamt 62 Abgeordneten zu stellen; damit sei man gestärkt.

Dazu kommt: Innerparteilich hat Sebastian Kurz sehr viel erneuert, letzten Endes ist er aber nur bis zur Hälfte gekommen. Was sich zum Beispiel in der Zusammensetzung seiner Nationalratsfraktion zeigt: Die bündischen Strukturen sind geblieben. Der Bauernbund jubelt, 16 der insgesamt 62 Abgeordneten zu stellen: Damit sei man gestärkt, so die Organisation, als habe sie noch nie etwas von einer türkisen Volkspartei gehört.

Wohl die Mehrheit der ÖVP-Abgeordneten ist im Zweifelsfall noch immer ihren Landeshauptleuten verpflichtet ist. 

Wie sehr die schwarze ÖVP nach wie vor existiert, hat man bereits bei der Wahl von Elisabeth Köstinger zur Nationalratspräsidentin gesehen: Auch aus der eigenen Fraktion gab es nicht nur Stimmen für sie, also Kurz’ Kandidatin, sondern auch für Karlheinz Kopf, der gar nicht angetreten war.

Was man im Übrigen nicht vergessen sollte, ist, dass wohl die Mehrheit der ÖVP-Abgeordneten im Zweifelsfall noch immer ihren Landeshauptleuten verpflichtet ist. Womit Konflikte vorprogrammiert sind: Zur Kassenzusammenlegung ließ der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner bereits wissen, dass man sich „sicher nicht in die Taschen greifen“ lassen werde, quasi also die Vorarlberger Gebietskranken-Kasse nicht hergeben werde. Die Beibehaltung des Rauchverbots bringt insbesondere die vor Landtagswahlen stehenden Ländervertreter von Innsbruck über Salzburg und Klagenfurt bis St. Pölten in die Zwickmühle (die Bundespartei sagt der FPÖ zuliebe „ja“, eine gefühlte Mehrheit des Volkes verlangt ein „Nein“). Und bei der Kürzung der Kammerbeiträge lässt der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter Kurz überhaupt wissen: Schmeck’s. Bzw.: In ein Regierungsprogramm könne man allerhand schreiben, entscheidend sei die Gesetzwerdung.

Auch die Personalhoheit des künftigen Kanzlers ist begrenzt: Länder- wie Bünde-Interessen kann er nicht überwinden.

Auch die Personalhoheit des künftigen Kanzlers ist begrenzt: Länder- wie Bünde-Interessen kann er nicht überwinden. Dem wohl scheidenden Innenminister Wolfgang Sobotka ist er zwar insofern zu Dank verpflichtet, als ihm dieser bei der parteiinternen Machtübernahme geholfen hat. Weil Sobotka aber nicht unbedingt für einen Neuanfang steht, hätte er ihn nicht behalten müssen. Wozu er nun gezwungen ist: St. Pölten will, dass Sobotka möglichst weit weg in Wien bleibt. Also wird er sehr wahrscheinlich ein anderes Ressort übernehmen oder Nationalratspräsident.

Ähnliches gilt für Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Der Mann ist doppelt schwer loszuwerden: Die Tiroler Volkspartei besteht auf ihn (oder einen anderen Landsmann) in der Regierung; und der selbstbewusste Bauernbund braucht zwingend auch einen Mann aus seinen Reihen, wie er eben einer ist.

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