ANALYSE. Im Bemühen, sich zu profilieren, begeht der Innenminister immer öfter Grenzüberschreitungen, was seine Zuständigkeiten betrifft. Und nicht einmal der, der dadurch vorgeführt wird, hindert ihn daran: Wolfgang Brandstetter.
Dass das Innen- und das Justizressort zwei verschiedene Bundesministerien sind, hat einen guten Grund. Und der heißt Gewaltentrennung. Das sei vorweggeschickt, ehe wir uns an dieser Stelle mit Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) befassen: Seit vier Monaten im Amt bemüht er sich nach Kräften, sich zu profilieren. Wobei er sowohl rechte als auch linke Ansätze liefert. Einmal, wie jüngst im „Standard“, spricht er sich dafür aus, kleinere Vergehen zu entkriminalisieren; Ladendiebstahl soll demnach kein Straf-, sondern nur noch ein Verwaltungsdelikt sein. Ein anderes Mal (und das ist die Regel), tritt er für Verschärfungen im Asylbereich ein; wobei er auch hier meist nach Strafrechtsreformen ruft.
Bemerkenswert ist, dass der dafür zuständige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) das alles – zumindest nach außen hin – seelenruhig über sich ergehen lässt. Entweder akzeptiert er das, was Sobotka sagt; oder es ist ihm egal. Beides wäre problematisch, würde es ihn doch erübrigen.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Innenminister mehr schlecht als recht durchs Strafrecht stolpert.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Innenminister mehr schlecht als recht durchs Strafrecht stolpert: Seine Forderung, Flüchtlingen, die straffällig werden, kein Asyl zu gewähren, musste er zuletzt mehrfach „präzisieren“ bzw. relativieren. Zunächst im ORF-Radio und dann gegenüber „kurier.at“, wie der „Standard“ dokumentierte.
Sein nunmehriger Ruf nach einer Entkriminalisierung von Ladendiebstahl und ähnlichem überrascht wiederum insofern, als erst vor einem Jahr eine umfassende Strafrechtsnovelle entwickelt wurde, die eine Neubewertung von Verbrechen im Sinne des Regierungsprogramms zum Inhalt hatte. Sowohl für schweren Diebstahl als auch für schwere Sachbeschädigung wurden die Grenzen damals etwa von 3000 auf 5000 Euro angehoben. Hört man nun jedoch Sobotka, dann muss man das so verstehen, dass das, was da von SPÖ und ÖVP gemeinsam beschlossen wurde, ungenügend war.
Genau das hat Ungarn unter Viktor Orban erst vor einem Jahr getan. Ein Vorbild? Möglich.
Wie sehr Sobotka versucht, Strafrechtspolitik zu betreiben, um sich innenpolitisch ganz besonders an der Seite von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) hervorzutun, wurde wiederum bei seiner Forderung deutlich, den illegalen Grenzübertritt zur Straftat zu erklären. Genau das hat Ungarn unter Viktor Orban erst vor einem Jahr getan. Ein Vorbild? Möglich. Entscheidend bleibt jedoch die Frage: Wer bremst Sobotka bei seinen inhaltlichen Grenzüberschreitungen? Brandstetter, dessen Pflicht es wäre, tut es nicht.