ANALYSE. Gerade für Deutsche sollte Österreich vertrauensbildende Maßnahmen setzen. Köstinger stärkt jedoch das Misstrauen.
Der Begriff „Schlawinertum“ wirkt im Zusammenhang mit den jüngsten Entwicklungen in der Corona-Pandemie zu lieblich. Er entspricht jedoch dem, was Landwirtschaft- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) weiterhin betreibt. Oder ist es besser, von Unverschämtheit zu schreiben? Köstinger glaubt jedenfalls, gegenüber den wichtigsten Gäste-Herkunftsländern etwas vormachen zu können. Nicht dem Ernst der Lage gerecht werden zu müssen. Effekt: Sie macht damit alles nur noch viel schlimmer.
Am 27. November 2020 meldete das Gesundheitsministerium 4405 Corona-Patienten in den österreichischen Spitälern und um 113 mehr Todesfälle als am Vortag. Die Inzidenz bestätigter Neuinfektionen war für damalige und auch internationale Verhältnisse mit 384 sehr hoch.
In einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bemühte sich Köstinger als Tourismusministerin jedoch, eine heile Welt vorzugeben: Sie lud dazu ein, im folgenden Winter Urlaub in Österreich zu machen. Um die Glaubwürdigkeit zu verstärken, gab sie vor, sich selbst keine Gedanken zu machen: „Ich habe überhaupt keine Angst, dort infiziert zu werden.“
Deutschland ließ sich nicht täuschen. Das tut es nach wie vor nicht: In Salzburg mag Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) die Verhältnisse ebenso verharmlosen, wie es zunächst sein oberösterreichischer Amtskollege Thomas Stelzer (ÖVP) mit dem Hinweis tat, dass man Gott sei Dank viele Intensivbetten habe. Und Köstinger mag den Ruf von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) nach Verschärfungen mit der Aussage vom Tisch wischen, dass sie „überhaupt nichts“ von seinen Wortmeldungen halte.
Die Wahrnehmung im wichtigsten Gäste-Herkunftsland ist jedoch eine dramatische: „Horrorzahlen im Gebirge, aber Österreich lädt wieder zum Après-Ski“, titelt der „Spiegel“ in einem Newsletter. Der Bayerische Rundfunk machte auf seiner Website vorübergehend mit der Meldung auf, dass Salzburger Landeskliniken befürchten würden, „gegen die Wand zu fahren“ und sich daher auf eine Triage vorbereiteten.
Gleichzeitig wird in der Nachbarschaft registriert, wie die Politik darauf antwortet. Anders als etwa die bayerische. Hier hat Ministerpräsident Markus Söder selbst schon am Wochenende gewarnt, dass man auf eine Triage zusteuere.
Wären Salzburg und Oberösterreich deutsche Landkreise, sie wären mit 1595 bzw. 1456 jene mit den mit Abstand höchsten Inzidenzwerten. An der Spitze liegt gerade der Landkreis Meißen mit 1305. Auch wenn Aussagekraft und Vergleichbarkeit solcher Werte begrenzt sein mag, ist das noch immer die Maßeinheit, die zählt. Konsequenz: „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen nach Österreich, mit Ausnahme der Gemeinden Mittelberg und Jungholz und dem Rißtal im Gemeindegebiet von Vomp und Eben am Achensee, wird derzeit gewarnt“, heißt es auf der Website des Auswärtigen Amtes. „Reisewarnung“ nennt man das.
Und bei einer solchen wird es wohl bleiben, bis hierzulande (erstens) glaubwürdig wie entschlossen gegengesteuert wird und (zweitens) die Zahlen stark zurückgegangen sein werden. Insofern ist das Blockieren weiterer Maßnahmen und der neuerliche Versuch, sich über die unter anderem von Deutschen empfundene Gefährdungslage hinwegzusetzen, nicht nur wirkungslos, sondern eher sogar schädlich. Schlimmer: Jetzt wird storniert oder nicht gebucht. Bleibt es bis Jänner dabei, ist die Wintersaison gelaufen. Anders ausgedrückt: Was heute unterlassen wird, rächt sich morgen auch wirtschaftlich um ein Vielfaches.
Elisabeth Köstinger sollte es wissen. Ihr Tourismusgipfel mit Nachbarländern vom Montagnachmittag ist ganz offensichtlich gescheitert. Darauf lässt der Bericht der „Salzburger Nachrichten“ schließen. Zitat: Der Gipfel sei „ergebnislos“ zu Ende gegangen: „,Es werden weitere Beratungen folgen, vor allem um eine Lösung für die Kinder unter 12 (die in Deutschland in Quarantäne müssen; Anm.) zu finden´, teilte ein Sprecher auf APA-Anfrage mit. Nachfragen blieben Dienstagvormittag vorerst offen.“
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