Überzeugender Antipolitiker

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ZAHLEN ZUM TAG. Richard Lugner zählte zu den ersten, die ohne Unterstützung einer Partei einen größeren Wahlerfolg erzielt haben. Heute ist damit vielleicht sogar mehr denn je möglich. Siehe Dominik Wlazny.

Der verstorbene Richard Ludwig war nicht nur Baumeister, Kaufhausbetreiber und Promi, der zur Freude des Boulevards sozusagen ein öffentliches Privatleben führte, sondern auch Politiker. Insofern nämlich, als er auf eigene Faust bei mehreren Wahlen kandidierte.

Er gehörten zu den ersten, die dies auch mit beträchtlichem Erfolg taten. Bei der Bundespräsidentenwahl 1998 erreichte er knapp zehn Prozent. Ein Grund dafür war eine Art Unterangebot durch etablierte Parteien: Sozialdemokraten und Freiheitliche verzichteten auf einen eigenen Kandidaten, nachdem Amtsinhaber Thomas Klestil für eine zweite Amtszeit abgetreten war. Damit ging ein größeres Potenzial für Lugner, aber auch die evangelische Superintendentin Gertraud Knoll einher, die ohne Unterstützung einer Partei sogar auf 13,6 Prozent kam.

Wählerstromanalysen zu diesem Urnengang haben sich für diesen Beitrag leider keine finden lassen. Eine solche gibt es vom Sozialforschungsinstitut „Foresight“ zur Bundespräsidenten-Wahl 2016, als Lugner mit über 80 noch einmal antrat und 2,3 Prozent erreichte. 35.000 – bzw. mehr als ein Drittel der knapp 100.000 Stimmen – kamen von der SPÖ, 18.000 von der ÖVP und 10.000 von der FPÖ. Sie alle hatten eigene Kandidaten, im Unterschied zu Norbert Hofer (FPÖ, Platz eins in der ersten Runde) gingen Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) jedoch unter und mussten sich mit jeweils kaum mehr als elf Prozent begnügen.

These: Heute wäre das Potenzial für Lugner (wieder) größer. Die Erwartungen der Wählerschaft werden durch etablierte Parteien nur zum Teil erfüllt. Das trägt dazu bei, dass es Kommunisten und die Bierpartei bei der Nationalratswahl Ende September ins Hohe Haus schaffen könnten.

Wie einst bei Lugner gibt es bei Bierparteichef Dominik Wlazny Zweifel, ob seine politischen Ambitionen nicht eher PR-Zwecken dienen sollen. Andererseits wird er ebenfalls als authentische Persönlichkeit wahrgenommen und vor allem nicht als Politiker gesehen. Das allein macht in Zeiten wie diesen schon viel möglich, sind gewissermaßen zwei relevante Assets.

Bei einer Umfrage im vergangenen Oktober wurde der Bierpartei auf kommunaler Ebene in Wien mit zehn Prozent ein größerer Stimmenanteil ausgewiesen als ÖVP (acht), Grünen und Neos (je sechs). Bei einer fiktiven Bürgermeister-Direktwahl ist Wlazny hinter Michael Ludwig sogar auf Platz zwei gekommen.

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