ANALYSE. Bei der Wien-Wahl kann der SPÖ wenig passieren. Eine Mehrheit mit Neos und allenfalls Grünen bleibt gewiss. Städte sind anders. Ein Faktor: Bildung.
Für die Wiener SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig hat es in den vergangenen Wochen nicht nur gute Nachrichten gegeben: Der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy war Teil negativer Schlagzeilen. Wie ÖVP-Stadt-Chef Karl Mahrer ist er mit einer Anklage in der Causa Wienwert konfrontiert. Dazu kommt, dass die Partei zwar wieder in einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene steht, worum sich Ludwig auch bemüht hat; dass es zum einen aber hieß, er habe sich mit seinem „Finanzministerwunsch Peter Hanke“ beim nunmehrigen Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) nicht durchsetzen können; und dass zum anderen Schwarz-Rot-Pink nicht das ist, worauf er gesetzt hat als er im Jänner die Vorverlegung der Wien-Wahl auf 27. April verkündete: Dass Herbert Kickl Kanzler wird und es vor allem in der Bundeshauptstadt zu einer Gegenbewegung kommt, die der SPÖ gerade hier nur nützen kann.
Was sogar sehr wahrscheinlich gewesen wäre. Der Grund dafür ist aber einer, der dazu beiträgt, dass Ludwig weiterhin von einem passablen Ergebnis für seine Partei ausgehen kann. Sein Ziel ist es, die 41,6 Prozent vom letzten Mal zu halten. Das sollte nicht unmöglich sein.
Die Freiheitlichen werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zwar stark zulegen. Vor fünf Jahren sind sie von über 30 auf rund sieben Prozent eingebrochen. Unmittelbar hat die SPÖ damals kaum profitiert. Das ist heute ein Glück für sie. Zu schaffen machen wird das eher der ÖVP, die im Herbst 2020 auch in Wien einen Sebastian-Kurz-Effekt genoss und sich auf über 20 Prozent verdoppeln konnte. Sie ist es nun denn auch, die (zumal Kurz weg ist) mit einem Absturz rechnen muss.
Wichtiger für die SPÖ: Wien ist die mit Abstand größte Stadt Österreichs. Und gerade hier macht sich von Wahl zu Wahl bemerkbar, dass Städte zunehmend anders ticken als der ländliche Raum (und umgekehrt). Gegen den allgemeinen Trend hat die SPÖ bei der Salzburg-Stadt-Wahl vor genau einem Jahr das Bürgermeisteramt erobert; hat Dietmar Prammer, ihr Kandidat bei der Stichwahl um die Führung von Linz Ende Jänner 77 Prozent geholt, während sich FPÖ-Mann Michael Rami mit 23 begnügen musste; oder schaffte es die SPÖ bei der Nationalratswahl im vergangenen Herbst mit größeren Zugewinnen in Graz und Innsbruck auf Platz eins.
Es mag ein schwacher Trost für die SPÖ insgesamt sein: Wenigstens in den Städten bricht sie nicht weg, gibt es für die FPÖ Grenzen. Da hat die ÖVP ein ungleich größeres Problem: Sie hat nicht nur wie die SPÖ im ländlichen Raum mit der FPÖ zu kämpfen, sondern generell auch in den Städten.
Die Veränderungen in den Städten zeigen sich eben auch bei Nationalratswahlen. In Wien lag die SPÖ im vergangenen Herbst viel deutlicher über dem bundesweiten Ergebnis als bei der Nationalratswahl 1999, während die FPÖ viel deutlicher darunter lag. Siehe Grafik.
Warum ist das so? Ein Faktor ist Bildung. Wobei es nicht nur einfach so ist, dass der Bildungsstand unmittelbaren Einfluss auf das Wahlverhalten ist. Mit Bildung geht zum Beispiel nicht nur Wissen, sondern auch Einkommen einher. Höher Gebildete verdienen im Schnitt mehr und sind damit eher besser abgesichert. Soll heißen: Relevant ist sehr vieles.
Die Sache ist jedenfalls die: In Wien ist der Anteil der Hochschulabsolventen an der österreichischen Bevölkerung ab 25 (= durchwegs Wahlberechtigte) mit 29 Prozent ziemlich genau zwei Mal höher als im übrigen Österreich.
Und das Wahlverhalten von Hochschulabsolventen ist eines, das im Sinne von Mitte- und Linksparteien ist. Das zeigen Ergebnisse der Wahltagsbefragung, die das Sozialforschungsinstitut Foresight im Auftrag des ORF bei der Nationalratswahl 2024 durchgeführt hat. Die FPÖ ist demnach in dieser Gruppe bundesweit nicht auf 29, sondern auf 15 Prozent gekommen. Die SPÖ hat sich zwar mit 18 Prozent begnügen müssen, Neos haben jedoch 16 und Grüne 19 Prozent erreicht. In Summe wären die drei damit auf eine Mehrheit gekommen.
In Relation ähnlich war das auch bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 so: SPÖ, Grüne und Neos erreichten damals bei Hochschulabsolventen laut Foresight 73 Prozent. Und die FPÖ? Ein Prozent.