ANALYSE. Für die ÖVP geht es in Oberösterreich nicht nur um einen Wahlerfolg, sondern auch darum, ihren wichtigsten Mitbewerber auf Bundesebene zu schwächen.
Das sitzt: Der PR-Berater Wolfgang Rosam, „was politisches Campaigning betrifft“ laut Standard „einer der klügsten Köpfe in Österreich“, hat FPÖ-Chef Herber Kickl einen Schlag versetzt, der es in sich hat; der Menschen, die sich über Kickls Corona- und Impf-Theorien ärgern, im Allgemeinen genauso gefallen kann wie im Besonderen der ÖVP.
Laut Rosam hat sich der Freiheitliche möglicherweise impfen lassen. Das wollte dieser nicht auf sich sitzen lassen und konterte mit einer Klage. Wie das ausgeht, ist offen und im Grunde genommen auch egal. Bis zur oberösterreichischen Landtagswahl an diesem Sonntag ist der Schaden für Kickl angerichtet: Zweifel sind gestreut; und diese wiederum sind von daher schmerzlich für ihn, als er seit dem Frühjahr dabei ist, Impfgegner einzusammeln, um die Freiheitlichen mit ihrer Hilfe aus der Krise zu führen.
Mit der oberösterreichischen Landtagswahl steht nun der erste Urnengang seit Ibiza an, bei dem die Vorzeichen für die FPÖ bis zuletzt nicht ganz übel waren. Landesobmann Manfred Haimbuchner ist zwar alles andere als ein glühender Anhänger von Kickl. Pragmatisch ist er aber allemal. Und so hat er auch Kickl für seinen Wahlkampf eingespannt, um den Impfgegnern im Land, die mit einer eigenen Liste antreten und durchaus Chancen haben, in den Landtag einzuziehen, Wind aus den Segeln zu nehmen. Das ist jetzt aufgrund der Zweifel nicht einfacher geworden. Im Gegenteil.
Es gibt Spekulationen, dass die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz hinter der Geschichte stecken könnte. Das lässt sich nicht beweisen. Fakt ist jedoch, dass ihr an einem möglichst schlechten Wahlergebnis der FPÖ in Oberösterreich gelegen sein muss. Das ist beinahe das wichtigste für sie. Sie selbst bleibt sowieso vorne. Die SPÖ bleibt weit von ihren besten Zeiten entfernt und damit für das Machtgefüge im Land fast so belanglos wie verhältnismäßig kleine Grüne und Neos.
Für die ÖVP ist das Abschneiden der Freiheitlichen von herausragender Bedeutung: Es geht darum, dass sie im großen Bundesland Oberösterreich auf ein Vor-Flüchtlingskrisen-Niveau zurückgeführt wird. Dass man sich die Macht im Land dann nicht mehr – wie in den vergangenen fünf Jahren – de facto teilen muss mit ihr.
Und es geht aus bundespolitischer Sicht eher darum: Ein FPÖ-Ergebnis in Oberösterreich, das dahingehend interpretiert werden könnte, dass mit dieser Partei insgesamt wieder zu rechnen ist, wäre schlecht für Kurz und Co. Trotz aller Differenzen zwischen Haimbuchner und Kickl könnte es Freiheitliche vom Boden- bis zum Neusiedlersee wieder aufrichten; würde es Türkisen bedeuten, dass ihr „Wohlfühlpopulismus“, den sie laut Sozialforscher Bernd Marin in der Pensionspolitik, genauso intensiv aber etwa auch in der Klimapolitik betreiben, an gewünschter Wirkung verliert – ja, dass auch der demonstrative Kurs gegen Flüchtlinge nicht mehr so zieht.
Immerhin ist die gesamte ÖVP von Sebastian Kurz allein darauf ausgerichtet, auf Kosten der Freiheitlichen stark zu sein. Deren (Ex-)Wähler haben sie 2019 weit über 30 Prozent gebracht. Schafft sie es nicht mehr, diese Wähler bei Laune zu halten, verliert sie bedrohlich viel.
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