Kickl hat sich verspekuliert

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ANALYSE. Im Präsidentschaftswahlkampf verliert die FPÖ mehr und mehr Kontrolle über ein rechtes Lager. Für die Zukunft hat das jedoch nichts Gutes zu bedeuten.

Ist die Bundespräsidenten-Wahl Anfang Oktober bereits gelaufen? Nein. Aber: Amtsinhaber Alexander Van der Bellen habe alle Trümpfe in der Hand, schreibt das Meinungsforschungsinstitut „Unique Research“ hier auf Basis einer Erhebung, die es für das Nachrichtenmagazin „Profil“ und die Gratiszeitung „Heute“ durchgeführt hat. Wobei man hinzufügen muss, dass es sich bei dieser Erhebung um eine Ausnahmeerscheinung handelt: Sie wird qualitativen Mindeststandards gerecht, ist quasi keine klassische Umfrage.

Bei sinkender Tendenz hielt Van der Bellen zuletzt noch immer 59 Prozent. Laut „Unique Research“ kann er auf eine breite Wählerbasis aus SPÖ-, ÖVP, Grünen- und Neos-Anhängern setzen. Das ist das eine. Das andere: Die rechten Kandidaten erreichen zwar in Summe mehr als 30 Prozent, müssen sich diesen Anteil aber mehr oder weniger teilen.

Für FPÖ-Chef Herbert Kickl zeichnet sich bei alledem eine bittere Erkenntnis ab: Er hat sich verspekuliert. Sein Kandidat Walter Rosenkranz kommt mit 13 Prozent nicht vom Fleck, während Tassilo Wallentin und Gerald Grosz gegenüber August um zwei, drei Prozentpunkte auf acht bzw. neun Prozent zugelegt haben. Bleibt es bei dieser Entwicklung, rücken sie Rosenkranz wirklich gefährlich nahe.

Was ist passiert? Erstens: In extrem unsicheren Zeiten verkörpert Van der Bellen für sehr viele Menschen überzeugend staatstragende Stabilität in einer Mitte, die sehr breit ist. Zweitens: Als Typ, der es für ein rechtes Lager anders, aber doch eher unauffällig gleichzutun versucht, ist für Rosenkranz schon von daher wenig zu holen. Drittens: Van der Bellen-Herausforderer haben Potenzial – und zwar bei Menschen, die die Regierung genauso ablehnen wie Linke (bzw. was sie darunter verstehen) oder überhaupt Vertreter des politischen Systems. Darauf reagieren in besonderer Weise aber Gerald Grosz, dessen Vorbild bezeichnenderweise Donald Trump ist, und Tassilo Wallentin, der auf Unterstützung der„Kronen Zeitung“ setzen kann – weniger aber Rosenkranz. Also könnte es knapp werden für ihn bei der Entscheidung um den zweiten Platz.

Zu bedeuten hat all das freilich noch lange nichts Gutes – jedenfalls über die Präsidentschaftswahl hinaus: Die erwähnte Summe von mehr als 30 Prozent bleibt ein Hinweis auf ein erhebliches Potenzial zum Beispiel für die nächste Nationalratswahl. Und Kickl, der sich darum bemüht, ist nicht Rosenkranz: In seinem Auftreten und seiner Wortwahl gleicht er eher Gerald Grosz; dessen Aussage etwa, dass das Niveau des politischen Personals unterirdisch sei und dass nicht die Besten am Werk seien, „sondern die größten Pfosten“, könnte allemal auch von ihm stammen – der im Übrigen keine Hemmungen hat, bei Bedarf noch tiefer zu werden, wie er etwa im Juli auf dem Landesparteitag der Tiroler FPÖ bewiesen hat, wo er Van der Bellen als „Mumie in der Hofburg“ bezeichnete und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) als „Zwiderwurzn“.

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