Kein Zwerg mehr

-

ANALYSE. In Bregenz zeigt sich, wie wechselfreudig Wähler sein können. Bei der Gemeinderatswahl hat ein Sozialdemokrat davon profitiert, der das schlechteste SPÖ-Landtagswahlergebnis der Geschichte zu verantworten hat.

Seit der EU-Wahl im vergangenen Juni haben in Vorarlberg inklusive ebendieser vier Wahlen stattgefunden. Im September die Nationalrats-, im Oktober eine Landtags- und jetzt eine Gemeinderatswahl. Die Ergebnisse in Bregenz liefern eine Ahnung davon, wie wechselfreudig Wähler geworden sind. Einmal gehen sie wählen, ein anderes Mal nicht. Einmal geben sie ihre Stimme jener, einmal einer anderen Partei. Je nach Angebot.

Vor allem eine Kleinpartei bekommt das zu spüren: Neos. 15 Prozent bei der EU-Wahl stehen fünf Prozent bei der Gemeinderatswahl entgegen. Aber auch eine größere Partei hat zu kämpfen: die FPÖ. In der Stadt mit einem Ausländeranteil von knapp 30 Prozent ist sie bei der Nationalrats- und bei der Landtagswahl auf 24 Prozent, bei der Gemeinderatswahl aber nur auf elf Prozent gekommen.

Die ÖVP schaffte zwischen 23 und 31 Prozent. Extrem ist im Übrigen das unterschiedliche Abschneiden der SPÖ. In der Stadt mit einer roten Geschichte im schwarzen Land musste sie sich bei der EU- und bei der Nationalratswahl mit 20 sowie bei der Landtagswahl mit gerade einmal 17 Prozent begnügen. Bei der Gemeinderatswahl schaffte sie es nun aber mit 43 Prozent klar auf Platz eins.

Es ist wieder einmal ein Hinweis darauf, was möglich ist. Ganz besonders in diesem Fall: An der Spitze der Bregenzer SPÖ steht Michael Ritsch. Der 56-Jährige war in den 2010 Jahren Landesparteivorsitzender. Und zwar erfolgloser: In einem Akt der Selbstironie hat er sich und seine Partei im Landtagswahlkampf 2014 klein gemacht und mit 1000 Gartenzwergen beworben, die er vom Bodensee bis zum Arlberg aufstellen ließ. Viele sind geklaut worden. Das hat international für Schlagzeilen gesorgt.

Gebracht hat es nichts, ein Verfahren wurde später eingestellt, und bei der Landtagswahl stürzte die SPÖ Vorarlberg auf 8,8 Prozent ab. Es war das erste Mal in der Geschichte Österreichs, dass die Sozialdemokratie bei einer Landtagswahl „einstellig“ wurde.

Als Bürgermeister seit 2020 (das Amt hatte er einem ÖVP-Vertreter abgenommen) ist Ritsch nun jedoch sehr erfolgreich, zumindest im Sinne des Wahlerfolgs: Bei der Direktwahl hat er sich gerade in der ersten Runde mit mehr als 50 Prozent gegen den ehemaligen ÖVP-Landtagsklubobmann Roland Frühstück durchgesetzt (der die Führung der Stadtpartei 2023 übrigens vom heutigen EU-Kommissar Magnus Brunner übernommen hat).

Wie Ritsch das geschafft hat? Der Mann ist umtriebig, bürgernah. Eigenen Angaben zufolge hat er mit seinen Leuten im Gemeinderatswahlkampf rund 10.000 Haushalte besucht. Das würde gut jedem zweiten entsprechen – inklusive Haushalten, die von nicht-wahlberechtigten Ausländern gebildet werden.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner