ANALYSE. Die SPÖ von Michael Ludwig scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. Dafür spricht ihr Umgang mit der Kleingarten-Affäre. Sicher ist jedoch weniger denn je.
„Ich werde mich nicht daran beteiligen, Menschen verfolgen zu lasen durch Medien, indem man irgendwelche Informationen checkt“, erklärte SPÖ-Wien-Landesparteisekretärin Barbara Novak in einer Gemeinderatssitzung am vergangenen Montag. Man glaubt es kaum: Verfolgt wird ihr zufolge unter anderem also der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy. Und zwar durch den ORF-Radiosender Ö1 sowie WZ (ehemaliges „Wiener Zeitung“), die sich nach der Sache mit dem niederösterreichischen ÖVP-Bürgermeister Alfred Riedl angeschaut haben, wie das zum Beispiel in Wien so läuft; mit Kommunalpolitikern, Grundstückskäufen, Umwidmungen, allfälligen Weiterverkäufen etc.. Dass sie dazu etwa Informationen checken, die in Grundbüchern enthalten sind, ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern ihre Pflicht.
Das Problem ist eher, wie die Wiener SPÖ damit umgeht (ähnlich wie die nö. ÖVP): Sie sagt nicht einmal, „für den Fall, dass jemand findet, dass es hier eine schiefe Optik gibt, lassen wir das extern untersuchen“. Sie gibt sich vielmehr empört, dass nicht alles als supersauber anerkannt wird; dass nicht blind darauf vertraut wird.
So macht man das nicht im Jahr 2023, in dem es sich auch Österreich nicht mehr länger leisten kann, am Amtsgeheimnis festzuhalten und sich daher zumindest auf eine Namensänderung hin zu „Informationsfreiheit“ einlassen muss. Das steht vor allem für ein Signal: Bürgerinnen und Bürger einer rechtsstaatlichen Demokratie haben Ansprüche, Dinge zu erfahren, die sie persönlich, konkret oder im Allgemeinen betreffen. Dazu zählt auch, wie Regierende, egal auf welcher Ebene, Macht ausüben.
Barbara Novak bringt zum Ausdruck, dass derlei eine Zumutung ist für sie. Was vielleicht auch daher kommt, dass ihre Partei in der Bundeshauptstadt seit 1945 das Sagen hat; und dass sie davon ausgeht, dass das immer so bleiben wird.
Tut es das? Sicher ist weniger denn je. Wahrscheinlich ist, dass die SPÖ auch über die kommende Gemeinderatswahl hinaus führend bleibt. Sehr wahrscheinlich wird sie aber mehr Macht abgeben müssen. Bei der jüngsten Erhebung von „Unique Research“ für „Heute“ liegt sie in den Rohdaten bei 27 Prozent. Ausgewiesen wurde ihr ein geschätzter Wert von 35 Prozent. Weder Rot-Pink noch Rot-Grün würde sich damit noch ausgehen, die SPÖ müsste sich mit Neos und Grünen arrangieren.
Alarmierendes ist für die Wiener SPÖ aber schon bei der letzten Gemeinderatswahl geschehen. Da hat ihre langjährige Hauptkonkurrentin FPÖ zwar 23,7 Prozentpunkte verloren, sie selbst aber nur zwei gewonnen. Wie kann das sein? Eine wahrnehmbare Auseinandersetzung damit gab es nie.
Jetzt schießen (in der erwähnten Umfrage) quasi rechts und links von der SPÖ Säulen empor. Jener, der für die FPÖ steht, von sieben auf 23 Prozent und jener, der für die Bierpartei steht, von null auf zwölf Prozent*. Wobei man nicht übersehen sollte, dass die FPÖ vor allem auch von einer Implosion der türkisen Volkspartei nach Sebastian Kurz profitiert. Aber das ist nur ein schwacher Trost für die SPÖ.
Die FPÖ liegt trotz ihres Parteiobmannes Dominik Nepp bei 23 Prozent und die Bierpartei bei zwölf Prozent, obwohl sie nur die Bierpartei ohne erkennbaren Inhalt ist. Es reicht, dass ihr Chef, Dominika Wlazny, für eher Mitte-Links-Stehende ein sympathischer Kerl ist.
Sollten Themen wie Migration und Integration weiter an Bedeutung gewinnen (gerade auch im Lichte der Entwicklungen im Nahen Osten), ist das dazu angetan, die FPÖ weiter zu stärken. Und sollte die Wiener SPÖ weiter Uraltmachtpolitik betreiben und es ihrem Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler schwermachen bei basisdemokratischen Ansätzen und einigem anderem mehr, dann riskiert sie, auch engagierte Jüngere aus ihren Reihen an Mitbwerber wie Wlazny zu verlieren.
Das einzige Glück für die Wiener SPÖ ist, dass es in absehbarer Zeit kaum zu einer blau-türkisen Mehrheit kommen wird in der Bundeshauptstadt. Es ist jedoch nicht in Stein gemeißelt, dass sie als Teil einer Mitte-Links-Mehrheit so dominierend bleibt, dass sie zum Beispiel nach einer Gemeinderatswahl 2025 wie bisher diktieren kann, wer Bürgermeisterin, Bürgermeister werden soll.
*Hochgeschätzte Werte. In den Rohdaten erreicht die FPÖ 17 und die Bierpartei zehn Prozent.